Extrabreit


Was haben sie nicht alles auf dem Kerbholz, die alten Haudegen jener Musikrichtung, die Anfang der 8oer als Neue Deutsche Welle gefeiert wurde: Gastauftritte in fragwürdigen Filmchen wie ‚Gib Gas, ich will Spaß‘ an der Seite von Nena und Markus etwa, oder auch das rabiate Rock-Remake der ‚roten Rosen‘, Hildegard Knef inklusive. Inzwischen aber ist man im Hause Extrabreit, aller Rotzigkeit zum Trotz, vorsichtiger geworden. „Das ist keine Aufforderung zum Ladendiebstahl“, kündigt Sänger Kai Havaii den Kracher ‚Kleptomanie‘ an, der von seiner Band mit reichlich Druck über die Bühne gebracht wird. Einzig Elektroklampfer Stefan Kleinkrieg, zusammen mit Altkumpel Kai Mittelpunkt der völlig reformierten Band, kann immer noch nicht Gitarre spielen. Aber das so gut, daß er bisweilen wie Mick Ronson klingt. Derweil gelingt es Herrn Havaii, angetan mit Lederhose und obligatorischem Käppi, Songs wie ‚Glück und Geld‘ zu achtbaren Bestandteilen des Bühnenprogramms zu machen. Dennoch lebt die Show in erster Linie von Klassikern wie ‚Die Polizei‘. Hier ächzt und stöhnt das Soundgefüge wie eh und je. Keine andere deutsche Rockband hat den Mut zu solcher Langsamkeit. Und manchmal macht sich sogar Schwermut breit. „Einen für die Liebe und einen für die Kunst“, singt Kai Havaii. Auf dem aktuellen Album ist das eine Nummer mit Schauspieler Harald Juhnke. Und so spürt man denn auch für einen Moment die tiefe Tragik zwischen Erfolg und Absturz. Hier, so scheint es, gibt es zwischen Extrabreit und dem großen Entertainer Juhnke eine Art Seelenverwandtschaft. Dann der ‚Flieger‘ und später, als Zugabe, die getragenen Klänge von Lou Reeds ‚Walk On The Wild Side‘. „Junge, wir können so heiß sein“, singt Kai Havaii. Ach, wären sie, die extrabreiten Boys einer vergangenen Musik-epoche, es heute abend in Hamburg doch bloß durchgehend gewesen. Man hätte es sich und ihnen nur allzu gern gegönnt.