The Bates


Freitagnachmittag an den Fuldabrücken in Kassel: Eine leichte Brise fährt durch die bunten Wimpel am Fahnenmast der „MS Deutschland“. Die Sonne spiegelt sich in den Scheiben des Ausflugsdampfers und läßt die blankpolierten Geländer der Reling aufblitzen. Im Unterdeck werkeln derweil weißbemützte Kellner an einem reichhaltigen Büffet. Was ist hier los? Findet wieder einer dieser besonders wichtigen Gala-Empfänge zur Rettung des hintersibirischen Nasenschweins statt? Oder ist es zumindest die sonntägliche Kaffeefahrt des Altenheims am Karluseck? Als die ersten Gäste eintreffen, ist dieser Eindruck dahin: Die Gestalten, die da den Dampfer entern, wollen einfach nicht in diese —- nein, ich werde sie jetzt nicht „spießig“ nennen —- Atmosphäre passen: Langhaarige Punks in verschlissenen Klamotten neben gepiercten, leichtbekleideten Mädchen, dreadgelockte, tätowierte Jungrevoluzzer zwischen kreischenden Teenies. Des Rätsels Lösung: Die Bates haben geladen —- zur Release-Party ihres neuen Albums ‚Kicks ’n‘ Chicks‘. Das erklärt dann auch das bizarre Bild, das sich den unbeteiligten Zuschauern am Kai bietet: Eine 400-köpfige Meute— vereint allein durch den Kampf um das nächste Bier —- erobert ein Schiff, wie es der „Rote Korsar“ auch nicht besser geschafft hätte. Als letzte kommen die Hauptpersonen des Nachmittags an Bord: Die Bates. Während Zimbl & Co. -— ganz Rock’n’Roll-like -— zuallererst die Bar suchen, und Gitarrist Reb mit den Worten „Ich hasse diese Kommerzkacke“ das Oberdeck betritt, legt die „MS Deutschland“ ab. Gut eine halbe Stunde Fahrt, vier halbnackte Strandschönheiten und fünf Bier später begeben sich die Bates unter Deck auf die schiffseigene Kegelbahn, um ihr neues Material live vorzustellen. Die Party kann beginnen: Eins, zwei, drei, vier -— der Punkrock der vier aus Eschwege, kommt live überraschend frisch, wild und natürlich daher. Songs wie ‚Here We Go‘, ‚When Will I See You Again‘ und die neue Single ‚It’s Getting Dark‘ lassen die gute, alte „MS Deutschland“ erzittern. Während Sänger und Bassist Zimbl seine Texte rotzig und frech in die Menge schleudert, springt Gitarrist Reb wie ein Gummiball auf und ab und muß zwangsläufig einsehen, daß die Deckenhöhe eines Ausflugsdampfers nicht unbedingt dem gemeinhin gewohnten Bühnenstandard entspricht. Kein Zweifel, hier haben alle ihren Spaß: die Band, obwohl die Musiker auf der ohnehin engen Bühne desöfteren mit aufdringlichen Fans und bei größerem Wellengang auch noch mit schwankenden Verstärkern zu kämpfen haben, genauso wie das Publikum. Das tanzt und feiert als ob es dafür bezahlt wird, obwohl es so gut wie nichts von den Musikern erkennen kann —- die vorderen Reihen sind komplett von Fotografen und Kamerateams blockiert. Dann, nach zehn Songs aus dem neuen Album, ist das Konzert abrupt zu Ende. Denn jetzt will die Band selber feiern. Kein Wunder, daß die vier aufrechten Punks im Augenblick nichts mit dem Business zu tun haben wollen und auf die Fragen des armen ME/Sounds-Schreibers eher lust- und herzlos reagieren. Unser volles Verständnis sei den Bates gewiß. So eine nachmittägliche Bootspartie ist ja auch hart für einen echten Punk, denn schließlich haben Zimbl & Co. noch nicht allen Mädchen in den Ausschnitt geschaut. Und der Rest Bier will auch noch getrunken sein.