The J. Geils Band will rock you


Diesen gut gemeinten Wahlspruch konnte die amerikanische Rhythm Rock-Blues-Gruppe J. GEILS BAND auf ihrer ersten und vorerst letzten Konzertreise durch die Bundesrepublik nicht wahr machen. Sicherlich ist es nicht gerade vorteilhaft im Vorprogramm von ELP aufzuspielen und mithin die Rolle eines provinziellen Aufheizers zu übernehmen. Doch nicht überall traf die Gruppe auf taube Ohren. Aber man kann verstehen, dass wenn ein Publikum auf Superstars fixiert ist, sie sich dann nicht noch die Mühe machen, einem interessanten Vorprogramm ihre Aufmerksamkeit zu schenken. Durch diese, unserer Meinung nach unglücklichen Zusammenstellung, hier ELP – dort GEILS BAND, ist sicherlich ein falsches Bild dieser Gruppe entstanden. Grund genug für uns, das mit einem, wie wir meinen, aufschlussreichen Artikel wieder gerade zu rükken. DIE STADT WORCHESTER IN MASSACHUSETTS Zwar ist es nur eine miese Industriestadt, aber irgendwie scheint diese Umgebung es gibt noch genug andere Beispiele musikalisch anregend zu sein. In Worchester tummelte sich Anfang der 60er Jahre eine Band, die „Snoppy and the sopwith camel“ hiess. Jay Geils spielte dort seine Blues-Gitarre neben Danny Klein und Magic Dick. Als ihnen diese Geschichte nicht mehr passte, gingen sie nach Boston. Dort stellen sie sich als THE J. GEILS BLUES BAND vor, mit Jay an der Lead-Gitarre, Danny am Bass, Dick, der sang und Mundharmonika spielte, und noch so’n langer Kerl am Schlagzeug, dessen Namen aber heute keiner mehr weiss. Finanziell ging es ihnen ganz gut, denn sie waren so etwas wie eine Hausband im „Unicorn“, einem Club, auf dessen Bühne „Jefferson Airplane“ und „Spirit“ ihr Bostoner Debüt gegeben haben. Musikalisch waren sie absolut top, denn zu einer Zeit, als man begann, sich für den schwarzen Blues zu interessieren, spielten sie die bekannten Blues Standarts mühelos herunter. EIN ZUSAMMENSCHLUSS Zur gleichen Zeit existierte in Boston eine Band, die unter dem Namen „Hallucinations“ auftrat. Die Gruppe spielte zwar auch den schwarzen Blues, aber nicht so astrein wie die Geils Leute, denn bei ihnen rasselte und rockte es ein bisschen mehr. Die „Hallucinations“ hatten zwei schillernde Persönlichkeiten. Der eine war der Gitarrist Paul Shapiro und der andere ein verrückter Sänger mit dem Namen Peter Wolf. Peter Wolf machte eine irrsinnige Bühnenshow, sehr emotioneil und sehr sexy. Wie alle Leute, die zu dieser Zeit auf der Bühne etwas herumtobten, wurde er mit Mick Jagger verglichen, aber das war Unsinn. Peter Wolf imitierte keineswegs Jagger, er machte sehr wohl seine eigene Show. Im Club 47 in Cambridge, einem Vorort von Boston, spielten die „Hallucinations“ und manchmal sassen auch Jay Geils und seine Freunde im Parkett. Dann war da ein Abend, wo Jay und Dick bei Peter Wolf und Stephen Bladd, dem Drummer, vorsprachen. Sie erzählten ihnen, dass sie dringend einen guten Sänger und Schlagzeuger brauchten und fragten rundheraus, ob sie nicht Lust hätten. Sie hatten. Aus irgendeiner Ecke holten sie sich noch Just Sethman und die GEILS BAND, die auch noch heute in der gleichen Besetzung spielen, war komplett. Jay Geils (Leadgitarre), Peter Wolf (Gesang), Danny Klein (Bass), Stephen Bladd (Schlagzeug), Just Sethman (Keybord) und Magic Dick, der ausschliesslich Mundharmonika spielt. Aber wie die Fachleute meinen, steckt er alle anderen, einschliesslich Paul Butterfield in die Tasche. Es dauerte nicht lange, da waren die Geils-Leute zumindest in Boston und Umgebung bekannt. Das lag zum einen daran, dass sie jetzt nichts mehr nachspielten, sondern wirklich einen eigenen Sound hervorzauberten und zum anderen an der damaligen trostlosen Musik-Szenerie. Da gab es zwar eine Menge Bands, die aber alle nur schlaffes Zeug fabrizierten und keinen Deut vorwärts kamen. Eine Zeit also, in der eine Band, die mir Rhythm-Blues und Rock kam, Autsehen erregen musste. EIN SCHAUPLATTENVERTRAG UND EINE SCHEIBE Nun, die Leute bei Atlantic Records schalteten schnell und gaben J. GEILS BAND einen Vertrag. Das war im Frühjahr 1969. Aber bis die erste Platte kam, ging noch gut ein Jahr ins Land. Das lag wohl daran, dass sie eine wirklich hervorragende Live-Band sind und zudem nicht die geringsten Ambitionen hatten, auf Teufel-komm-raus berühmt zu werden. WBCN, die Bostoner Rundfunkstation, nudelte Behelfsbänder ab, die auf irgendeinem College mitgeschnitten wurden. Schliesslich wurde ihnen die ganze Drängelei nach einer Platte doch zuviel und sie zogen ins Studio. Dort machten sie ihre Live-Show (anders wollten und konnten sie nicht arbeiten) und der Toningenieur schnitt mit. Diese erste Platte bekam den Titel „The J. Geils Band“. Eine Lp, die in Kennerkreisen gewaltig gelobt wurde. Im Herbst 71 Hessen sich Jay und seine Mannen zum zweiten Mal ins Studio treiben. Das Resultat nannten sie „Morning After“. Auf dem Cover dieses Albums ist ein stark verwüstetes Hotelzimmer abgelichtet. Demnach muss es am Abend vorher hoch hergegangen sein. Die Gruppe macht das musikalisch glaubhaft. Mit unwahrscheinlichem Speed donnert ihr dynamischer Zug durch die Rocklandschaft. Zum Schluss sollte noch gesagt werden, dass die J. GEILS BAND ein blendendes Beispiel dafür ist, dass auch eine Gruppe, die sich über Jahre personell nicht verändert hat, sich musikalisch progressiv entwickeln kann.

EIN INTERVIEW MIT JAY GEILS

Alles was Ihr spielt, hat seine Wurzeln in der schwarzen Musik Eures Landes. Wie kommt das? Die grossen Bluessänger sind unsere Vorbilder. In Boston Hess sich Muddy Waters des öfteren sehen, manchmal auch Johnny Lee Hooker, Howlin Wolf, B.B. King, James Cotton, Billy Boy Arnold und Junior Wells. Wir haben mit allen gearbeitet, dann gesoffen und die ganze Nacht herumgehangen. Einmal war Muddy Waters eine Woche in Boston, da haben wir eine Woche nicht geschlafen. Heisst das, Ihr werdet Aufnahmen mit einigen Bluesleuten machen? Sicher, aber wenn wir Johnny Lee Hooker ins Studio bitten, müssen wir ihm auch musikalisch eine Menge zu bieten haben. Diese „Father & Sons“-Geschichte ist zum Beispiel eine gute Sache. (Eine Bluessession mit den „Vätern“ Muddy Waters und Otis Spann und den „Söhnen“ Michael Bloomfield und Paul Butterfield, zu denen sich noch „Duck“ Dünn, Sam Lay und Buddy Miles gesellten). Warum hat es so lange gedauert bis Ihr Euer erstes Album aufgenommen habt? Wir hatten wohl einige Angebote von verschiednen Plattenfirma, aber wir wollten auch nicht gerade zu irgendwelchen Ding-Dong-Records. Unser Traum war schon immer Atlantic. Irgendwann haben sie ja dann auch angebissen. Werdet Ihr in Zukunft Werke anderer Leute spielen? Oder Euch mehr auf Eigenkompositionen beschränken? Das ist keine Frage für uns. Wir wollen gute Musik machen, das steht an erster Stelle. Manche sagen, Ihr seid eine Band des Rock Revival. Das ist Quatsch, denn der Rock war niemals tot. Aber Eure Musik erinnert an Rhythm & Blues, an Chicago Blues und den früheren Motown Sound. Weil wir Musik mit Energie lieben. Deshalb mögen wir Little Richard, Otis Redding und die Rolling Stones. Nun seid Ihr nicht gerade eine Band mit revolutionären Texten. Woran liegt das? Sieh mal, in den 60er Jahren das war die Musik nicht nur Musik, das war Philosophie, Lebensstil und noch mehr. Aber wenn ich mich heute informieren will, dann lese ich Bücher und Zeitungen und wenn ich Musik hören will, dann höre ich Rock-Musik. That’s it.