The Lounge Lizards


Ihr habt mitten in diesem Stück applaudiert“, murmelt John Lurie.

„Warum?“ – „Weil’s fucking brillant war“, ruft einer aus dem Publikum. „Fucking brillant?“ echot Lurie. „So weit würde ich aber nicht gehen, Kumpel.“

Ich auch nicht. Aber die Lounge Lizards sind ohne Zweifel eine gute Band, eine sehr gute sogar. Lurie und seine Truppe sehen zwar immer noch so aus. als kämen sie geradewegs aus der Cover-Session eines Cool-Jazz-Albums der 50er Jahre – aber die wattierten Schultern und dünnen Schlipse sind nicht mehr der Haupt-Inhalt ihrer Musik. Denn John Lurie ist in den vergangenen zehn Jahren erwachsen geworden. Er wird zwar nie ein wirklich großartiger Saxophonist sein, aber er ist gut genug für diese Band, in der die Betonung sowieso mehr auf strengen Arrangements und dynamischen Kompositionen als auf heißen Improvisationen liegt. Und wenn’s drauf ankommt, hat er schließlich Solisten an der Hand, die sich um die Improvisation kümmern können – er weiß am besten, wie man alle Ressourcen sinnvoll einsetzt.

Die neun Lounge Lizards des Jahres 1990 sind eine komplett neue Band. Johns Bruder, Pianist Evan. hat seine eigene Gruppe gegründet, und der Rest der letzten Besetzung nennt sich jetzt Jazz Passengers. In der neuen Band finden sich sehr verschiedene Talente – vom fantastischen Drummer Calvin Weston bis zur Cellistin Jane Scarpantoni. die auf Bob Moulds Album WORKBOOK spielte. Der Set beginnt mit einem repetitiven Zwiegespräch zwischen Lurie und dem zweiten Sopransaxophonisten Michael Blake; perkussive Explosionen vom Schlagzeug prägen einen dramatisch wilden Sound, der sich jeglicher Erwartung so radikal entzieht, daß von da an alle Optionen offen bleiben. Danach können die Lizards jeden Weg einschlagen. Sie begeben sich aufs Latino-Gebiet an den Rand von Salsa, galoppieren dann aber in seltsamen Zeitmaßen davon. Es gibt niedliche Neo-Freejazz-Miniaturen. Und viele sorgfaltige Orchestrierungen nach Art von Jazz-Komponisten wie Charles Mingus oder Duke Ellington. Luries musikalischer Geschmack ist – wie seine Anzüge – radikal-konservativ. Doch im Gegensatz zu vielen seiner Zeitgenossen formt er aus den alten Elementen etwas Neues.

„Nach der Show versteigern wir unsere Instrumente“, scherzt der tiefstapelnde Lurie am Ende der Show. „Und falls jemand einen Tourbus günstig erwerben will …“ Hoffentlich macht er das nicht wirklich mal. Hoffentlich hat er noch lange Spaß an dieser Version der Lounge Lizards.