Tocotronic: München, Muffathalle


DIE INSIGNIEN DER 80ER JAHRE HABEN ES IHNEN ANGETAN.

Das sind die Original Tocotronic-Schweißbänder in Orange, längst vergriffene Klassiker des Sortiments, vom Merchandise-Mann noch stolz zur Schau getragen. Da sind „Final Countdown“-Fanfaren auf der Hitsingle. Und jetzt fällt der Vorhang, und dort schimmert er im Schwarzlicht über Arne Zanks Schlagzeug: fauchend, mit glühenden Augen, ein schwarzer Panther, Metallerkuttenrückenaufnähermotiv par excellence, Standard-Kühlerhauben-Airbrush heftig verspoilerter Schwarzmetallic-Escorts. Damals. Jetzt: die ungefähr coolste Bühnen-Deko aller Zeiten. Dazu dräut THX-Trailer-mäßig ein Intro vom Band… Stadionrock here we go? Dann doch nicht so ganz. Was wäre denn das auch, mit einem Kickstart anzufangen statt mit dem Schnarch-Schrammeln von „Das Geschenk“? Konventionell. Und Konvention ist ein Greuel und muß es auch bleiben, Wespen im Arsch hin oder her. Da steht sie also, die Dreifaltigkeit des Indie-Cool. Dirk von Lotzow als Der Außenseiter, trotziger Deutschrock-Holden-Caulfield; Jan Müller als Der Hohlwangige Ouasi-Rockstar, immer toll posig an seinen Baßsaiten reißend und Arne Zank als Der Linkische Nerd mit eigenem „Arne! Arne!“-Fanclub. Was Dynamik angeht, hat man im Vergleich zu den hie und da durchhängenden Festival-Gigs die Schraube angezogen, Schraddelpassagen gestrafft. So etwa beim instrumentalen „Tag ohne Schatten“, wenn sie alle drei eine Gitarre vorgeschnallt – unisono Akkorde schruppen, während Beat und Bleeps vom DAT kommen. Drei Minuten reichen,dann setzt auch keine Überraschungsarmut ein. Warum der digitale Mitmusiker dann nicht auch die Europe-Fanfare machen darf und „Let There Be Rock“ live weiterhin etwas trocken ohne daherkommt, hat wohl wieder was mit Konventionsverweigerung zu tun – und ist auch egal. Wie so einiges, wenn Dirks Gitarre durch den Fender Twin Reverb brät. Dann ist die Welt endgültig in Ordnung, und München da, wo es hin will: Knietief im Rrrock. „Freiburg“,“Sie wollen uns erzählen“, das grandiose „Ich bin viel zu lange mit euch mitgegangen“, „Die Welt kann mich nicht mehr verstehen“ und freilich Jackpot“. Auch das sperrigere Material von „K.O.O.K.“ ist inzwischen in Fleisch und Blut und wird behüpft. Trotzdem: Die Zeiten der Teen-Sensation scheinen vorbei und Tocotronic an einem Punkt, wo man auf das nächste Album sehr gespannt sein darf. Bis dahin. Vielen Dank für die Katze.