Tracy Chapman, Amsterdam, Roxy-Club


Ian hatte Amsterdams In-Discothek, den Roxy-Club, kurzerhand zu einem Konzenclub mit Bestuhlung umfunktioniert, auf der die einschlägige Medienszene Platz genommen hatte. Selten habe ich ein Publikum erlebt, das so ruhig, ja andächtig auf das Bühnengeschehen konzentriert war. Tracy Chapman zwingt allerdings auch zur Ruhe. Sie wirkt scheu und befangen, vermeidet jeden Blickkontakt mit dem Publikum, verzichtet auf Ansagen und hält die Akustikgitarre wie einen Schutzschild vor sich. Die 24jährige Songwriterin aus Boston steht nun einmal voll und ganz in der puristischen Folk-Tradition: Für die knappe Stunde ihres Auftritts zählen nur ihre Stimme, die Gitarre — und natürlich die Songs, die den Vergleich mit Joan Armatrading, aber auch Joni Mitchell bestätigen, den begeisterte Kritiker aufgrund ihres Debütalbums zogen.

Mit einem melancholischen, bisweilen auch wütenden Unterton (etwa bei „Talkin‘ Bout A Revolution“) trägt sie ihre Lieder vor, die emotionale Betroffenheit über den sterbenden amerikanischen Traum („Across The Lines“), die Friedenspolitik, aber auch die private, kleine Welt „(,.Why?“)vermitte!n. Beeindruckend ihre imposante Stimme, die klar und fest zwischen Folk-, Gospel-, Soul- und Bluesphrasierungen pendelt — eine perfekte Einheit aus Timing und Timbre.

Durch die aufs Minimum beschränkte Gitarrenbegleitung, die nichtsdestotrotz eine Menge musikalisches Wissen verrät, geraten manche Songs wesentlich kompakter und härter als auf der LP. Aber auch ohne instrumentale Ausschmückung weisen ihre kraftvollen Kompositionen individuelle Substanz auf, lassen auf ein neues Songschreibertalent hoffen, das sich der traditionellen Stile treffsicher bedienen kann und dennoch in der Lage ist, den eher begrenzten Möglichkeiten ihrer Akustikgitarre moderne Aspekte hinzuzufügen.