UK Go


Gleich zweimal hatte das Vereinigte Königreich in diesem Jahr Anlass, sich über alle Maßen zu feiern: Die Queen beging ihr 60. Amtsjubiläum und die besten Athleten der Welt kamen zu Olympia zusammen.

3. Juni, Dover, Market Square: Seit Tagen herrscht im UK Queen-Mania. Elizabeth II. feiert Diamantenes Dienstjubiläum, 60 Jahre ist sie im Amt. 35 Jahre nachdem die Sex Pistols skandierten, ihre Königin wäre kein Mensch, 23 nachdem Ian Brown drohte, er werde nicht ruhen, bis sie ihren Thron geräumt habe, ist die Königin immer noch da. Und sieht man sich den Affenzirkus hier an, mag man denken: So sehr war die noch nie da. Wir sind in der Hafenstadt Dover, doch wir könnten auch in jeder anderen Stadt des Landes sein. Überall sieht es gleich aus. Die Schaufenster der Kaufhäuser und der zahllosen Charity-Shops sind randvoll mit Memorabilia von Elizabeth II. Von der Queen ist mehr Merch erhältlich als von der Boyband-Sensation One Direction, mehr als von den Spice Girls 1996. Es hängen mehr Union Jacks als Deutschlandfahnen während der „WM im eigenen Land“. Ganz Dover ist blauweißrot. Und darüber: grau. Es regnet den ganzen Tag. Ausgerechnet heute. Der riesige Bildschirm auf dem Marktplatz überträgt eine Schiffsparade: 1 000 Boote aller Art schippern die Themse hinunter, auf einem sitzt die Queen und winkt. Ab und an lächelt sie. Meistens entspricht ihr Gesicht aber wie gehabt dem Wetter. Ein Bild, das sie besonders miesepetrig zeigt, wird kurz darauf zum x-fach umgestalteten Online-Meme. Die Briten sind diese Fresse gewohnt, aber mitsamt dem miesen Wetter wird es ihnen zu viel. Gähnende Leere auf dem Marktplatz von Dover. Wer nicht zu der Million gehört, die sich am Themse-Ufer versammelt hat, verklebt die Fenster seines engen Reihenhauses lieber von innen mit weiteren „God Save The Queen“-Postern, die hier jeder Zeitschrift beiliegen, und verfolgt das Tamtam im Fern-sehen. Tags darauf wird dort ein Superlativ-konzert vor dem Buckingham-Palast übertragen: Robbie, Kylie und natürlich Paul McCartney und noch natürlicher Elton John gratulieren der Queen. Gary Barlow und Andrew Lloyd Webber nehmen für den Anlass das Lied „Sing“ auf, das kurz darauf Nummer eins wird. Nach einer Woche ist der Spuk vorbei. Ausruhen. Schließlich steht Olympia vor der Tür. Stephan Rehm

12. August, London, Hyde Park: 55 000 Briten tanzen auf dem Rindenmulch zum Schutz des heiligen Rasens. Viele haben sich den Union Jack über ihr Perryhemd gelegt wie eine Toga. Manche tragen Goldmedaillen aus Cadbury-Schokolade; manchen stecken Nationalfähnchen am Kopf wie Dartpfeile. Es geht um Bier und Spiele. „Best Of British – The Olympics Closing Celebration Ceremony Concert“ heißt die amtlich abgesegnete Alternativveranstaltung im öffentlichen Raum. Die Besten sind, laut Festivalprogramm: New Order (ohne Peter Hook), The Specials (ohne Jerry Dammers) sowie Blur (ohne Verluste). Graham Coxon hatte vor seinem Comeback mit Blur erklärt: „Es geht darum, zu feiern, dass Olympia vorüber ist und wir unser Leben weiter leben können.“ Er hat keinen Lorbeerkranz auf seinem Shirt, sondern den Namenszug der Satanisten The Abyss. Aber die Londoner haben gelernt, Olympia zu lieben. Man hört keine Klagen über versperrte Arbeitswege und den Ausverkauf des East Ends. Alle fühlen sich als Sportler: Männer grüßen sich wie Usain Bolt, der Sprinter. Mädchen kleben sich Koteletten wie der Radler Bradley Wiggins an die Wangen. Zwischen den Konzerten schiebt sich auf der Bühne ein gewaltiger Bildschirm vor die Umbauten. Unter frenetischem Gebrüll wird der Triumph der Turmspringer gezeigt. Die Abschlussfeier aus dem Stadion wird übertragen, mit der Königin, den Pet Shop Boys mit Zauberhüten und Ray Davies unter einem Heiligenschein. Blur spielen „Parklife“. Damon Albarn ist vom Anzug wieder in ein Perrypolo umgestiegen, alles fasst sich bei den Händen. Cool Britannia.