Verrückt nach Robyn – mit Bodytalk Pt. 3


Was finden eigentlich alle, die sonst mit Pop nichts anfangen können, an Robyn gut? Bei ihren Body-Talk-EPs sind das Banale und das Außergewöhnliche dialektisch verschränkt – und mit Dr. Alban hat es auch zu tun.

Das zumindest ist sicher: In diesem Jahr sind von Robyn keine drei Alben zu erwarten. Nicht dass sie mit Ergebnis und Wirkung der Trilogie Body Talk Pt. 1–3 nicht zufrieden wäre, allein: „Mir fehlt inzwischen einfach die Zeit, im letzten Jahr hatte ich ja noch viel weniger zu tun, weswegen es auch irgendwie nahelag, ein Album nach dem anderen herauszubringen, aber heute geht das nicht mehr, jedenfalls nicht drei Alben, aber vielleicht viele Singles oder Songs, mal sehen.“ Robin Miriam Carlsson, vor 31 Jahren in Stockholm geboren und seit knapp 16 Jahren einer breiteren Öffentlichkeit unter dem Namen Robyn bekannt, spricht mit dünner, atemloser Stimme schier endlose Sätze, als wolle sie ihrem beachtlichen Arbeitspensum und den weit verzweigten Verpflichtungen ein angemessenes sprachliches Äquivalent verpassen.

Sie sei praktisch nur noch unterwegs, sagt sie, Europa, USA und wieder zurück, im März spielt sie in Hamburg für einen Telefonanbieter. Im Grunde stehe sie pausenlos auf der Bühne, am Abend zum Beispiel in Austin, das amerikanischen Publikum sei ganz wunderbar. In dieser Hinsicht habe die Veröffentlichungsoffensive des vergangenen Jahres ihren Erwartungen voll entsprochen, obwohl, fällt sie sich selbst ins Wort und korrigiert: „Ich habe gar keine Erwartungen gehabt.“ Auch kein Konzept, sie habe einfach nur gemacht, was man als Musiker so macht, Musik eben und sonst nichts. Robyn hat einfach die Zeit zwischen Produktion und Veröffentlichung verkürzt. Wenn ein Stück Musik fertig war, kam es auf den Markt. Daran sei nichts Besonderes, sagt sie. Und man denkt, da hat sie recht, was soll an dem Umstand, dass ein Musiker Musik veröffentlicht, schon besonders sein? Was wiederum zu der Frage führt, was an Robyn eigentlich besonders ist. Je nach Blickwinkel kann man mit Fug und Recht behaupten: alles oder nichts oder, besser noch, alles und nichts zugleich.

Im Alter von 16 Jahren veröffentlicht Robyn 1995 ihr Debüt Robyn Is Here und hat zwei Jahre später mit „Show Me Love“ , einem R&B-Popsong über die Unwägbarkeiten der Liebe, ihren ersten internationalen Hit. Doch statt sich darüber zu freuen, stellt Robyn fest, dass sie auf einmal bei jenen Teeniemagazinen im Zentrum der Aufmerksamkeit steht, die es sich zur Lebensaufgabe gemacht haben, die Unwägbarkeiten der Liebe in stark vereinfachender Weise zu ergründen. Und starke Vereinfachung ist Robyns Sache nicht. Sie stammt aus einer linken Theaterfamilie – der Vater Regisseur, die Mutter Schauspielerin – und ist daher von zu Hause endlose Diskussionen über die Welt gewöhnt. Nun findet Robyn sich ständig in unerfreulichen Interviewsituationen wieder, die sie intellektuell geradezu empören.

Um der Angelegenheit des Popstardaseins gewisse Substanz und Tiefgang zu verleihen, hält sie es für eine hervorragende Idee, ihr zweites Album My Truth von 1999 mit einem bekenntnisreichen Song über eine erlebte Abtreibung zu würzen, was ihre Plattenfirma wiederum nur wenig amüsiert. Erste, aber kaum noch zu leugnende Spannungen treten auf. Mit ihrem dritten Album Don’t Stop The Music versucht Robyns Plattenfirma, sie als schwedische Christina Aguilera zu vermarkten – eine sensationell abwegige Idee, die das Image der angeblich risikoscheuen Musikindustrie vollständig ad absurdum führt. Bekanntlich geht der Plan nicht auf. Robyn kauft sich aus dem Vertrag heraus, ab 2005 geht man getrennte Wege.

Die Besonderheit von Robyn ist ihre Geschichte, das Nicht-Besondere ist hingegen ihre Musik. Andere Künstler mit Teeniestar-Vergangenheit nutzten die plötzliche Freiheit als Gelegenheit, sich neu zu erfinden. Alanis Morissette ließ sich etwa ihre Dauerwelle rauswachsen und kaufte sich eine Gitarre, Fergie von den Black Eyed Peas widmete sich nach ihrer Zeit bei Kids Incorporated einem interessanten Drogenproblem, und Britney experimentierte mit Gewichtsschwankungen und rasierte sich zwischenzeitlich den Schädel. Nichts davon bei Robyn. Der Wandel vom fremdbestimmten zum autonomen Popstar vollzieht sich mit größtmöglicher Geschmeidigkeit. „Who’s That Girl“ heißt die Singleauskopplung von Robyn, ihrem ersten Album, das sie in eigener Regie 2005 veröffentlicht – wobei das fehlende Fragezeichen im Titel ein wichtiger Hinweis darauf sein könnte, dass sie nicht einmal selbst davon ausgeht, dass sich jemand ernsthaft diese Frage stellt. Dass Robyn keinen schrillen Richtungswechsel unternimmt, macht sie, wenn man es genau betrachtet, dann schon wieder zu einer Besonderheit. Das Banale und das Außergewöhnliche sind bei Robyn sozusagen dialektisch verschränkt.

Die neue, elektronischere Robyn klingt im Grunde, wie die alte Robyn auch hätte klingen können, nur ein bisschen elektronischer. Eine Plattenfirma, die ihren Künstlern solch einen Schritt verwehrt, hat gar nichts anderes verdient, als verlassen zu werden. Offenbar ist übersehen worden, dass Robyn nie etwas anderes wollte, als dem Chartpop ihre Stimme zu verleihen und sich dazu im Kreis zu drehen. Sie wollte vielleicht eine bessere Produktion ihrer Songs, Texte, die nicht so dumm sind wie jene, die von professionellen Songschreiberteams im Akkord verfasst werden, und Videos, die nicht ganz frei sind von einer Idee. Doch im Grunde will Robyn ins Autoradio, in die Rollerdisco, auf den Jahrmarkt. „Manche Leute unterstellen mir Ironie. Aber ich meine das ganz ernst. Ich mochte Pop schon immer.“

Doch wie kommt es, dass Robyn ausgerechnet und mit großer Leidenschaft von Leuten gemocht wird, die Pop, wie Robyn ihn spielt, eigentlich nicht mögen? Leute, die etwa um Britney Spears einen weiten Bogen machen, aber Robyn selbst in ihren Britney-Momenten ganz entzückend finden. „Ich weiß nicht“, sagt sie, und man darf davon ausgehen, dass sie es tatsächlich nicht weiß. Sie schweigt. Dann sagt sie: „ Diese Frage höre ich nicht zum ersten Mal.“ Und es scheint, als höre man sie überlegen.

Sie könnte natürlich sagen, dass es wahrscheinlich daran liegt, dass sie mit Bands wie The Knife und Basement Jaxx zusammengearbeitet hat, dass sie für Röyksopp ein Lied sang und sich von Diplo produzieren ließ – allesamt Künstler, die Chartpopskeptikern den Zugang erleichtern und in geschmacklichen Dingen den lästigen Rechtfertigungsdruck nehmen –, aber das wäre Robyn zu simpel, also sagt sie es nicht. Vor gar nicht allzu langer Zeit ist sie auch mit dem großen Dr. Alban auf der Bühne gewesen und hat im Duett seinen unverwüstlichen Gassenhauer „No Coke“ zum Besten gegeben. Cooler geht es ja eigentlich kaum. Mit diesem Wissen sollten sich alle anderen Fragen wie von selbst erledigen.

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