Viel Mull, wenig Inhalt: Totentanz des Untergrunds beim Rheinrock 2


P0P KOMM

„Das ist keine Messe, das ist eine Message“, schwärmte der Erfinder und Mastermind der POPKOMM, Dieter Gorny, mit feuchten Augen. So schlimm waren die vier Pop-Tage im augustheißen Köln nicht — sie waren schlimmer: Vor vier Jahren als popeliger Indie-Treff belächelt, ist die Musikmesse am Rhein dieses Jahr zu einem Markt-Moloch explodiert, dessen Wichtigkeit sich allein an dem drastisch gestiegenen Politiker-Anteil der 5010 Kongress-Besucher messen läßt. Das geschäftige Gewusel aller Willy Wichtigs des deutschen Musik-Marktes wäre ohne das pralle Rahmenprogramm nichts als ein fröhlicher Branchen-Inzest. Doch 182 live aufspielende Bands in vier POPKOMM-Nächten mit 50.000 Besucher in den 20 Kölner Clubs machten die Messe auch zum Höhepunkt der diesjährigen Live-Saison. Auf den folgenden Seiten bringt ME/Sounds die wichtigsten Konzerte der POPKOMM.

*JljIljH „Früher war alles ganz anders.“ Schlimm genug, wenn einem solche Sprüche im eigenen Kopf begegnen, noch schlimmer, wenn sie berechtigt sind. Das Open-Air des Untergrunds bot ein betrübliches Bild. Geballte Langeweile im Publikum und bei jedem Schritt ein Plastikbecher unterm Turnschuh. Kein Müllkonzept der Neunziger, dafür viel Gegenwartsfrust.

Und die Umgebung war auch nicht Party-fördemd. Kölns Tanzbrunnen wirkt bei Tageslicht so subkulturell wie ein oberbayerischer Kurpark. Auf festgeschraubten Drahtkorbstühlen harrten die Indie-Jünger ihrer neuen und alten Helden, und gepflegte Sitzgeleaenheiten waren noch nie das richtige Ambiente für außergewöhnlichen Lärm.

Die psychedelische Gitarrenkraft von Gallon Drunk und Monster Magnet verpuffte zwischen dem dritten Bier und der ersten Bockwurst, die Rasenden Leichenbeschauer konnten einige wenigstens zu entrüstetem Kopfschütteln bewegen. Babes In Toyland waren als bösartige Springbälle im Rüschenkleid nicht nur ein optisches Vergnügen, während die Manie Street Preachers als schlechte Glam-Rock-Kopisten kein müdes Schmunzeln wert waren.

Egal, die Masse zuckte mit den Schultern und wartete auf den angekündigten Höhepunkt, und der ließ auf sich warten. Die Haut sollte mit Gastmusikern von Blixa Bargeld bis Nick Cave der Avantgarde ein Denkmal setzen und steckte profan auf der Autobahn fest. Nach einem Zwischenspiel der Union Carbide Productions erschienen sie dann doch, um in Windeseile alle Hoffnungen zu enttäuschen: Blasse Gastauftritte von Kid Congo Powers und .Anita Lane konnte auch ein profihaft schmachtender Blixa Bargeld nicht ausgleichen. Und als schließlich Nick Cave zum letzten Hoffnungsjubel die Bühne betrat, mußte er sie nach einem Stück wieder verlassen: 22.00 Uhr Sperrstunde. In Köln tobte der Untergrund genausowenig wie sein Publikum. Ein paar Buhrufe, drei Gähner, dann war Schluß. Wahrscheinlich will noch nicht mal jemand sein Geld zurück.