Vinyl is Back


Die Rennaissance der runden Rillen: Platten sind wieder hip, gute Player erschwinglich.

Totgeglaubte leben länger. So erfreuen sich die schwarzen Scheiben, denen seit Einführung der CD vor nunmehr 13 Jahren stets ein baldiges Ableben vorhergesagt wurde, bester Gesundheit. Als Retter im Überlebenskampf der Formate profilieren sich neuerdings Musiker mit Sinn für ‚Political Correctness‘, denen die CD als sauberes Kind der kühlen Achtziger nicht ins Slacker-Weltbild paßt. Von Pearl (am beispielsweise darf sich der musikalische Rettungdienst in Sachen Vinyl ruhig eine Scheibe abschneiden: In den Staaten veröffentlichte die Band ihr aktuelles Album ‚Vitalogy‘ in Vinyl-Form zwei Wochen vor der CD- und der MC-Version. Dadurch avancierte ‚Vitalogy‘ zum ersten nur im Vinylformat erhältliche Album, dem es seit dem Anbruch der CD-Ära gelang, einen Platz in den Top 100 der US-Charts zu erobern. Und das mit immerhin 38.000 verkauften Exemplaren in der ersten Woche.

In Deutschland hingegen hatte diese Strategie weniger Erfolg. Von den bis jetzt verkauften ca. 200.000 Einheiten gingen nur knapp eineinhalb Prozent als Vinyl über die Ladentische. Die USA als Vorreiter? Dort setzen neben Sony Music auch andere etablierte Majorlabels wie Atlantic und Warner Bros, seit 12 Monaten wieder vermehrt auf Vinyl. Und sei es nur, um bei Bands wie Dinosaur Jr. und Green Day die starke Vinyl-Fan-Basis zufriedenzustellen. So erhöhten sich die US-Vinyl-Verkäufe binnen eines Jahres um sagenhafte 80 Prozent auf nahezu 900.000 Stück. In Deutschland stellt sich die Situation etwas differenzierter dar, denn hierzulande bewegen sich Vinyl-Verkäufe von etablierten Rock- und Pop-Acts schon lange weit unter der Fünfprozentmarke. So verkaufen zum Beispiel Musiker wie Westernhagen, Neil Young und Roxette im Durchschnitt nur noch knapp ein Prozent oder weniger vom Vinyl-Format ihrer aktuellen Alben. „Selbst bei Westernhagens Dreifach-Platin eine verschwindend geringe Menge“, erläutert Berndt Skibbe, Senior Product Manager bei WEA in Deutschland. „Trotzdem werden wir bei etablierten Künstlern auch weiterhin Vinyl-Konfigurationen herstellen“. WEA denkt schon einen Schritt weiter und plant für den Sommer eine auf 2000 Einheiten limitierte „Collective-Vinyl-Edition“, auf der ca. 10 bis 15 vergriffene Alben verschiedener Künstler der siebziger Jahre wiederveröffentlicht werden. Bei Erfolg soll die Serie fortgesetzt werden. Die Zielgruppe: alte und neue Vinyl-Fans. Auch die Firma Eastwest trägt wieder Schwarz. Für das neue Album der HipHopper Naughty By Nature plant sie einen vorgezogenen Veröffentlichungstermin für das Vinyl-Format. Jürgen Sauer, Productmanager im Dance-Bereich, will so „die wichtigen Opinionleader“ bereits drei Wochen vor dem Termin der CD-Veröffentlichung für sich gewinnen. Überhaupt erweist sich der Metal-, Alternative-, HipHop- und Dance-Fan in Deutschland trotz der sich permanent verschlechternden Infrastruktur im Handel für Vinyl-Formate erstaunlich resistent gegenüber der digitalen CD-Pracht. Günther Pehlgrim, Inhaber des auf Vinyl spezialisierten Plattenladens ‚York Records‘ in Berlin, erklärt die ungebrochene Nachfrage: „Für viele Fans ist nach wie vor die einzigartige Cover-Ästhetik ein wichtiger Kaufanreiz. Zusätzlich schwören die meisten Kunden zwischen 15 und 60 Jahren auf den wärmeren Klang der Vinyl-Scheibe und ein deutlich besseres Preis-Leistungs-Verhältnis.“ Während CDs oft rund 35 Mark kosten, sind LPs durchschnittlich 10 Mark billiger.

Bei Independent-Firmen wie Rough Trade, EFA und Discomania werden von manchen Veröffentlichungen noch bis zu 50 Prozent im Vinyl-Format abgesetzt. Vor allem Underground-Techno-Acts, vertrieben durch spezialisierte Läden, setzen fast ausschließlich auf die schwarze Scheibe. Die DJ-Kultur verankert die Vinyl-Maxi-Single auch in den neunziger Jahren fest im Koordinatensystem der Dancefloor-Fans. Und sogar im Klassik- und Jazz-Bereich setzen Firmen wie Zyx mit dem russischen Label Melodiya und EMI Electrola mit dem Back-Katalog von Blue Note weiterhin auf die LP. Fazit: Vinyl wird mit Sicherheit auch im neuen Jahrtausend noch eine Rolle spielen.

Und wie sieht die Lage an der HiFi-Front aus? Wolfgang Oppermann, Productmanager des Herstellers Sherwood: „Praktisch die ganze Branche hatte sich von Neuentwicklungen verabschiedet, bevor die Nachfrage an analogen Plattenspielern wieder zunahm.“ Der Kunde darf sich freuen, denn dank billiger CD-Konkurrenz gibt es mittlerweile wirklich hochklassige Plattenspieler zu überaus günstigen Preisen. Vollautomatische Plastik-Player, die den derzeit so beliebten Kompaktanlagen quasi als kostenlose Zugabe beigelegt werden, lassen den Vinyl-Freak allerdings erschaudern. Metall-Chassis und Holzgehäuse sind unverzichtbare Qualitätsmerkmale, Puristen bevorzugen zudem semi-automatische oder manuelle Laufwerke. Vollautomaten stehen in dem Ruf, auf wendige Technik am falschen Ende zu bieten Wahre Phono-Fans setzen in Sachen Ausstattung ganz andere Prioritäten: hochwertig! Tonabnehmer-Systeme, schwere, massive Plattenteller, präzise geschliffene Antriebsriemen und langlebige, zuverlässige Lauf werke. Bereits die Einsteigerklasse kann mit derlei Tugenden dienen, solide Verarbeitung hervorragende elektroakustische Eigenschaften und schonender Umgang mit der schwarzen Scheiben sind schon für 350 bis 500 Mark zu haben.