Westernhagen


Mit dem neuen Album JA JA steht Marius westernhagen in den Startlöchern, um alle Rekorde deutscher Rock-Geschichte zu brechen. Kurz vor dem Startschuß auf der Interview-Couch von ME/Sounds-Redakteur Peter Wagner: der ganz normale Wahnsinn und seine fette Beute.

ME/SOUNDS: Unsere Leser haben dich im „Pop Poll“ soeben mit absoluter Mehrheit zum deutschen „Solokünstler des Jahres“ gewählt, obwohl man 1991 recht wenig von dir gehört hat.

WESTERNHAGEN: Ich finde das phänomenal, weil ich ja ein Jahr lang nicht präsent war. Es wäre bei dem riesigen Angebot an Musik nur normal gewesen, wenn mich das Publikum in dieser Zeit vergessen hätte.

ME/SOUNDS: Die schönsten Pausen sind bei dir nicht lila, sondern rosarot: Auch ein Westernhagen braucht eine Chanceßr die Liebe.

WESTERNHAGEN: Nach dem ganzen Wirbel wollte ich ein Jahr lang Pause machen. Für meine Familie und mich. Ich mußte erst wieder die Einstellung finden. Mich vom Druck des Erfolges befreien, um unbelastet ein neues Album machen zu können. Und dafür hatte ich ja die besten Voraussetzungen: Die Platten zuvor hatten hervorragend verkauft, ich hatte eine Menge Geld verdient und damit die Mittel, ohne Kompromisse machen zu müssen, die Qualität zu erreichen, die mir vorschwebte.

ME/SOUNDS: Bei unserem letzten Gespräch warst du dir noch sicher, mit dem nächsten Album nicht vor 1 993 zu kommen. Du kannst es wohl nicht lassen ?

WESTERNHAGEN: Nein, nein, ich bin kein Workaholic. Aber durch die letzte Tour und all die Dinge, die um mich herum und auch in der Welt passiert sind, war so viel Inspiration da, so viele Themen, daß ich einfach schreiben mußte.

ME/SOUNDS: Deine Kollegen schreiben in solchen Phasen gern Songs über Selbsterlebtes: warmes Bier im Tourbus, kalte Hotelduschen und andere quälende Schattenseiten des Ruhmes.

WESTERNHAGEN: Das interessiert weder mich noch sonst irgendjemand. Ich habe keine Probleme mit der Gefahr des Abhebens. Ich lebe so normal, so zurückgezogen, daß ich von meiner eigenen Popularität fast nichts mitbekomme. Die Normalität gibt mir die Kraft für meine Arbeit.

ME/SOUNDS: Die Dimensionen deiner diesjährigen Tournee sind aber alles andere als normal.

WESTERNHAGEN: Mich hat schon immer das Messen mit zweierlei Maß geärgert. Und daran sind die Medien auch nicht ganz schuldlos. Auf der einen Seite die internationalen Acts, die eine gewisse Immunität besitzen und auf der anderen Seite der Spruch „Nicht schlecht ßr deutsche Verhältnisse“. Ich orientiere mich immer am Besten. Und da will ich auch hin. Dazu gehört, sich in dieser Größenordnung mit den Internationalen zu messen.

ME/SOUNDS: Jetzt, zwei Monate vor dem ersten Konzert, sind mehr als 700.000 Tickets verkauft. Die Rechnung des Veranstalters — BAP-Manager Balou — scheint aufgegangen zu sein.

WESTERNHAGEN: Die Idee zu dieser Tour ist zwei Jahre alt. Damals, nach dem Abschlußkonzert der 89/90’er Tour im Gelsenkirchener Parkstadion, kam Balou zu mir und legte mir ein paar Seiten mit seinem Konzept auf den Tisch. Ich las es durch und sagte ihm:

„Balou, du bist verrückt. Aber es gibt hierzulande viel zu wenig Verrückte. Wenn du das Risiko eingehen willst, bin ich dabei“.

ME/SOUNDS: Als wir im Oktober den Tourplan zum ersten Mal sahen, dachten auch wir. der spinnt!

WESTERNHAGEN: Das kann ich gut verstehen. Glaube ja nicht, daß ich keine Angst gehabt hätte. Ich hatte die Hosen gestrichen voll! Doch wenn nicht jetzt einen Schritt weitergehen, wann dann? Wieder und wieder die gleichen Hallen spielen? Wie beim letzten Mal? Wo bleibt da der Reiz, das Risiko? Nur um Geld zu verdienen? Wenn das alles wäre, hätte ich mich auch nicht aufraffen können, die JAJA-Produktion so durchzuziehen. Mir fehlt die Arroganz, mich zurückzulehnen, ein paar Stücke runterzuschreiben und dann zu denken: Die Leute fressen das schon. Dafür bin ich viel zu ehrgeizig. Ich will immer besser werden.

ME/SOUNDS: So viel besser, daß du bei den Festivals sogar auf die üblichen Video-Wände verzichten willst…

WESTERNHAGEN: Bei Michael Jackson, den Stones haben die meisten Leute nur noch auf das Videobild geglotzt, anstatt sich auf die Bühne zu konzentrieren.

ME/SOUNDS: Kunststück – wenn du 200 Meter entfernt davon stehst.

WESTERNHAGEN: Erstens ist es zu teuer. Eine wirklich gute Video-Projektion, bei der auch bei Tageslicht etwas zu erkennen ist, würde pro Show 150.000 bis 200.000 Mark kosten. Das würde, wie wir das ja von einigen internationalen Acts kennen, überhöhte Eintrittspreise bedeuten. Zweitens: Wenn ein Konzert gut ist, ¿

ist es auch ohne Video-Wände gut. In Gelsenkirchen hatten wir keine Video-Projektion, und dennoch haben alle Leute getanzt. Auch die Leute auf den Tribünen, die sonst eher nur dasitzen und sich den „Wahnsinn“ aus der Distanz ansehen wollen.

ME/SOUNDS: Das könnte mit daran liegen, daß du bei deinen Konzerten die Leute nicht mit dusseligen Ansagen langweikL WESTERNHAGEN: John Lennon hat mal gesagt:

Jen schreibe den Leuten nicht vor, wie sie zu leben haben, ich erzähle ihnen nur von meinem Leben“. Mehr will ich auch nicht. Künstler sind keine Politiker. Im besten Fall kann Kunst die Politik irritieren.

Natürlich ist es ein Thrill, jetzt die Stadien zu füllen. Aber das Motiv für meine Arbeit war nie, ein Star zu werden. Ich wollte etwas schaffen und damit weiterkommen. Daß ich jetzt diese Dimensionen erreicht habe, das muß auch ich für mich erst einmal akzeptieren. Im Augenblick stehe ich noch mit großen Augen staunend davor.

ME/SOUNDS: Bescheidenheit allein wird dich nicht vor dem Neid auf diesen Erfolg schützen. Wer sich weit aus dem Fenster lehnt, darf sich nicht beklagen, wenn er sich dabei einen Zug holt.

WESTERNHAGEN: Bescheidenheit ist eine der Voraussetzungen, um in dieser Karriere-Situation keinen Schaden zu nehmen. Demut gegenüber dem Talent. Demut auch gegenüber dem Erfolg. Es ist absurd, daß in der deutschen Kulturszene Rockmusik noch immer als dilletantisch, ja dumm angesehen wird. In England und den USA hat sich Rockmusik als Kunstform längst etabliert. Bei uns wird alles, was populär ist, verteufelt. Dahinter steckt eine Schizophrenie. Einerseits sagt das System, daß sich Leistung lohnen soll, daß Erfolg etwas Erstrebenswertes ist. Aber wenn sich deine Leistung dann wirklich auszahlt, zweifelt man an deiner Integrität.

ME/SOUNDS: Deshalb gibt es deutsche Stars, aber keine deutschen Superstars. Doch ist das wirklich ein Grund zum Jammern ?

WESTERNHAGEN: Ach, woher. Natürlich ist es befriedigender, erfolgreich zu sein als erfolglos. Es ist schon seltsam, in Interviews von erfolgreichen Musikern immer wieder lesen zu müssen, wie schwer sie es doch haben. Mein Gott, das sind alles Hochprivilegierte! Mir geht es so gut wie kaum einem anderen Menschen. Ich finde es vermessen, sich zu darüber beklagen, erfolgreich zu sein. Klar, je größer der Erfolg, umso mehr muß ich arbeiten. Aber ist das doch weit besser, als jeden Morgen in ein Büro zu gehen oder in eine Grube einzufahren. Ich verdiene — und zwar ohne bei meiner Arbeit Kompromisse eingehen zu müssen — gutes Geld. Ich habe einen Lebensstandard, den ich mir nie hätte träumen lassen. Ich hab dazu auch noch das große Glück, mit einer wunderschönen und intelligenten Frau glücklich verheiratet zu sein — und ich werde zurückgeliebt! Worüber sollte ich mich beklagen?

ME/SOUNDS: Alle lieben Marias, sogar die Presse.

Und die wird in wenigen Wochen garantiert jubeln:,Jfarius ist der Größte“.

WESTERNHAGEN: Naja, jetzt übertreib mal nicht.

ME/SOUNDS: Jede Wette…

WESTERNHAGEN: Vielleicht sollte ich das genießen, solange es so ist. Ich habe es ja schon selbst erlebt, wie schnell du hochgelobt wirst, und wie schnell du dann, zum Teil auch ungerecht, verletzt wirst. Dennoch — wenn du soviel Zuneigung erfährst, ist es nur zu verständlich, daß das bei einer großen Fraktion Allergie, Haß und Neid erzeugt. Mir würde schon reichen, wenn meine Professsion und Qualität als Musiker anerkannt wird. Wenn nicht bei deinem 15. Album noch darüber diskutiert wird, ob du komponieren oder singen kannst.

ME/SOUNDS: Darüber gibt’s bei JAJA weniger Diskussions-Stoff— handwerklich hat die Platte internationalen Standard, es wird halt nur nicht englisch gesungen.

WESTERNHAGEN: Danke. Mein Ziel war, daß man sich einerseits wundert, daß da einer deutsch singt, und daß andererseits sich auch Amerikaner und Engländer die Platte anhören können, ohne gleich bei dem ersten deutschen Wort in Ohnmacht zu fallen. Der englische Cutter-Ingenieur, der JAJA überspielt hat, meinte „Ilike the songs. Send me a CD“.

ME/SOUNDS: JA, JA…

WESTERNHAGEN: Du kannst dir kaum vorstellen, wie schwierig es ist, einen Albumtitel zu finden, der nach Musik klingt. Deutsch ist eine Sprache, in der jedes Wort sofort zum Programm verkommt.

ME/SOUNDS. Auf jeden Fall ist er besser ah NÖNÖ…

WESTERNHAGEN: .. .oder 0 0, ähhh .. .das habe ich nicht so gemeint…

ME/SOUNDS: Und besser als nur JA, das wäre schon wieder Programm: Marius, da Ja-Sager.

WESTERNHAGEN: Das werde ich nie werden. Obwohl ich im Laufe der Jahre gemerkt habe, daß ich nicht immer durch den Berg durch muß, sondern auch mal obendrüber oder drumherum gehen kann, solange ich nicht mein Ziel aus den Augen verliere.

ME/SOUNDS: Oder einen zweiten Anlauf wagen. Nach DAS HERZ EINES BOXERS wolltest du eigentich nie wieder eine Platte in London aufnehmen, jetzt hattest du mit dem „Metropolis“ gleich Englands nobelstes Studio gebucht.

WESTERNHAGEN: Das ist richtig, ich hatte jahrelang ein England-Trauma. Ich bin damals so über den Tisch gezogen worden, daß ich dort nie wieder aufnehmen wollte. Das „Metropolis“ ist meiner Meinung nach das im Augenblick beste Studio der Welt. Wenn das z.B. in Köln gestanden hätte, hätte ich auch dort aufgenommen. Inzwischen wird man aber in England als deutscher Musiker genauso behandelt wie jeder andere Kunde auch. Als wir dort waren, haben nebenan INXS gearbeitet.

ME/SOUNDS: Mit ihrer ganzen Horde Bodyguards?

WESTERNHAGEN: Ja, so etwas brauchen wir gottseidank nicht — all die Security-Leute mit ihren Walkie Talkies, die dauernd um Michael Hutchence herumlaufen.

ME/SOUNDS: Sonst merkt ja keiner, daß du Rock-Star bist…

WESTERNHAGEN: Möglich. Ich glaube nicht, daß ich jederzeit einen Bodyguard brauche. Wenn ich allerdings auf Tournee bin, und alles ist für das Publikum auf den Moment zugeschnitten, daß der Vorhang aufgeht und ich erscheine — da kann eine solche Euphorie entstehen, daß Schutz einfach nötig ist. Ich habe aber noch nie erlebt, daß mir im täglichen Leben jemand auf der Straße die Kleider vom Leib reißt. ¿

ME/SOUNDS: Wie denkst du nach Jahren der Zusammenarbeit mit Rene Tinner nun über dein Debüt ab Alkin-Produzent deiner eigenen Musik?

WESTERNHAGEN: Die Entscheidung war richtig und von Rene auch gutgeheißen. Er wußte, ich brauche diese Herausforderung, bei der ich eine Menge gelernt habe. Das Wichtigste für mich als Produzent war, Dinge aufs Band zu bekommen, die nicht zu wiederholen sind. Bei der JAJA-Produktion hat es zum ersten Mal ein Musiker geschafft, mich zu Tränen zu rühren — Mel Collins mit seinem Sax-Solo auf dem Gospel „Steh Auf. Oder werui so ein fantastischer Pianist und Produzent wie Pete Wingfield live im Studio mit uns einen der Songs einspielte. Das ist dann für alle der Kick, noch mehr zu geben. Pete ist auch so ein Musiker — wenn der den ganzen Tag im Studio war. kommst du dir am Abend ganz klein und häßlich vor.

Mein großer Ehrgeiz war, jede Nummer wie eine Single zu behandeln, um nicht in Gefahr zu kommen, einzelne Songs als sogenannte „LP-Nummern“ abzutun. Ich habe das in den Sechzigern immer an den Beatles-Alben sehr bewundert. Sie hatten eine Dramaturgie. ME/SOUNDS: Bei zwei Songs auf JAJA wird’s besonders dramatisch. „Komm in meine Arme“ und „Liebe“ — beides Softies, diefiir mich beim erstmaligen Hören gar die Höhen Carpendalscher Dichtkunst erklimmen. Ich habe gewettet, daß du das nicht ernst meinst …

WESTERNHAGEN: Die Wette hast du verloren. Ich bin ein großer Country Music-Fan, wenn sie gut ist. Ich denke da an Ry Cooder, Springsteen, The Band … Wenn ich einen sentimentalen Song schreibe, muß ich den auch mit Überzeugung interpretieren. Kann sein, daß du das als schmalzig empfindest. Der Grat bei solchen Nummern ist immer schmal. Für mich sind beides ehrliche Liebeslieder.

ME/SOUNDS: Wenn wir sie als Country-Crooner durchgehen lassen: Bist du auf der Suche nach Musik-Formen, die — neben Blues und Rock — eher im Einklang mit deinem A Iter stehen ?

WESTERNHAGEN: Was hat das denn mit dem Alter zu tun? Ich lasse mich nicht in eine musikalische Zwangsjacke stecken. Und ich hoffe, daß sich mein musikalischer Horizont immer noch erweitert. In der Regel schreibt „der Deutsche“ Liebeslieder und baut verschämt eine kleine sarkastische Bemerkung ein. Ich bin froh, daß ich ohne jeden Zynismus ausgekommen bin.

ME/SOUNDS: Sarkasmus oder Schmalz — ist das wirklich die einzige Wahl?

WESTERNHAGEN: Anscheinend haben wir Deutschen damit ein Problem: geheult wird nur auf dem Klo. Da sind die Amerikaner und Engländer unverklemmter. Hör dir doch nur einmal Aaron Neville an — wie wunderschön sweel der singt, ohne in den Kitsch abzugleiten.

ME/SOUNDS: Ab Komponist und Texter bbt du Einzelkämpfer. In deiner Band erlaubst du Kritik, am Ende jedoch bist du der Boss. Gibt es jemand, den du um Ralfragen kannst?

WESTERNHAGEN: Rene Tinner. Und das beruht auf Gegenseitigkeit. Wir spielen uns unsere Projekte vor und tauschen unsere Ansichten aus. Rene ist einer meiner besten Freunde — und die kannst du an einer Hand abzählen. An ihm schätze ich vor allem die Ehrlichkeit, die ich von einem wirklichen Freund erwarte. Das ist zwar manchmal härter, aber viel gesünder.

ME/SOUNDS: Und wie steht’s um „…meine Frau sagt auch immer …“?

WESTERNHAGEN: Meine Musik ist in den letzten Jahren Groove-betonter geworden. Und das hat sicher auch mit dem Einfluß von Romney zu tun. Sie hat mich dazu gebracht, härter zu arbeiten. Sie hört meine i Kompositionen als erste und der Rhythmus ist für sie eines der wichtigen Kriterien. Die Musik muß dich im wahrsten Sinne des Wortes bewegen.

ME/SOUNDS: Offenbar bewegen dich im Moment ganz andere Fragen. Auf JAJA singst du die Zeile „Auf der Suche nach dem Sinn des Lebens ist das Leben schon vorbei“. Klingt nach ehrenhaft ergrauter Weisheit…

WESTERNHAGEN: Ich singe über die Vergänglichkeit. Komischerweise wird dir die immer klarer, je älter du wirst.

ME/SOUNDS: Eher bgbcherweise.

WESTERNHAGEN: Stimmt, eher logisch. Mit 14 lebst du noch unbewußt. Du glaubst, alles geht immer und ewig so weiter. Mir wurde der Glaube an die eigene Unsterblichkeit schon sehr früh genommen. Mit 14, als mein Vater starb.

ME/SOUNDS: Gutes Stichwort. Kannst du mit. 43 einem Währigen überhaupt noch etwas sagen?

WESTERNHAGEN: Das weiß ich nicht. Wenn ich einen HJährigen treffe, dem meine Musik gefällt, sage ich unbeholfene Sätze wie: „Gehst du noch zur Schule, oder machst du eine Lehre?“. Um so erstaunlicher — und natürlich auch schön — finde ich, daß wir soviel neues, junges Publikum dazugewonnen haben, das sich anscheinend von der Musik und den Texten angesprochen fühlt.

ME/SOUNDS: Obwohl du ab Privat-Mensch in einer ganz anderen Welt lebst. Was bt in deiner Welt das Wichtigste?

WESTERNHAGEN: Andere nicht zu bescheißen, sich selbst nicht zu bescheißen. Mir selbst immer näher zu kommen. Erst wenn du dir über die Unwichtigkeit deines Tuns im klaren wirst, kannst du die Wichtigkeit deines Tuns begreifen. Wenn ich mich so wichtig nehmen würde, wie mich manche Leute nehmen, wäre es ziemlich schlecht um mich bestellt.

ME/SOUNDS: Einige deiner Kollegen, die sich ziemlich wichtig nehmen, sind inzwischen eher recht gewichtig geworden. Immerhin — nach drei Jahren Ehe zeigt sich bei dir noch immer kein Bauchansatz.

WESTERNHAGEN: Um Gottes Willen, dafür bin ich doch viel zu eitel. Ich habe sowieso nicht die Veranlagung dazu. Aber es hat auch etwas mit Disziplin zu tun. Wenn ich stundenlang auf der Bühne rumspringen will, muß ich mich einfach fit halten. ME/SOUNDS: So ein Bauch hat ja auch was Sinnliches — Elvis, B. B. King, Chris Rea. Sind das Modelle für einen Westemhagen im Jahre 2002?

WESTERNHAGEN: Bestimmt nicht mehr mit der Art von Bühnenshow, zu der ich jetzt physisch fähig bin. Wenn ich in zehn, fünfzehn Jahren noch das Bedürfnis haben sollte, Live- « Musik zu machen, was zu befürchten ist, dann sind § Leute wie John Lee Hooker oder Muddy Waters si- « eher Vorbilder. Der schlimmste Fehler, den man ma£ chen kann, ist so zu tun, als würde man nicht älter.