Yoko Ono: 5 Fragen an Yoko Ono


Über geöffnete Kisten, verschlossene Herzen, neue Wege zu den Menschen, Originale und Kopien.

1 Ihre neue CD YES, I´M A WITCH klingt wie ein iPod-Shuffle, denn obwohl Sie alle Songs geschrieben haben, scheinen diese doch in keinerlei innerem Zusammenhang zu stehen.

Genau das hatte ich vor. Ich wollte verschiedenen Künstlern eine völlig neue Perspektive auf meine Songs aus so vielen Jahren gewähren. Es ging mir um einen neuen Weg, meine Tracks an die Menschen von heute zu bringen. Schon seit längerer Zeit fragten mich verschiedene Künstler, ob sie Stücke von mir remixen könnten. Ich hatte das immer strikt abgelehnt. Dabei hätte ich nur die Kiste öffnen und abwarten müssen. Als ich dann eine Probe hörte, konnte ich gar nicht fassen, wie sehr mich das berührte. Also entschloss ich mich, die Kiste noch weiter zu öffnen. So kam ein Track zum anderen, bis ich eine ganze Kollektion zusammenhatte. Leider konnte ich nicht alle Stücke für das Album berücksichtigen. Einige warten noch auf separate Veröffentlichung.

2 Haben Sie mit dieser CD auf den Umstand reagiert, dass sich via MP3-Spieler die Hörgewohnheiten der Menschen verändern?

Ein interessanter Gedanke, denn die Remixer auf der Platte sind ja zugleich Hörer und Musiker. Sie kannten meine Songs seit Jahrzehnten, bevor sie mit ihrer Version eine Neubewertung vornahmen. Als etwa die Flaming Lips vorschlugen, eine Version von „Cambridge 1969“ zu machen, dachte ich: Was wollen die bloß aus diesem Song machen? Er war für mich fest in der Zeit verankert, in der ich ihn aufgenommen hatte, und eng mit John Lennon verbunden. Aber als ich die Version der Flaming Lips hörte, bekam ich plötzlich ein ganz neues Verhältnis zu dem Song.

3 Beim MP3-Spieler wird der Hörer zum Komponisten und umgekehrt. Wie haben Sie diese Erfahrung auf ihr eigenes Album übertragen?

Die neue Erfahrung besteht für mich darin, dass ich meine Songs nicht mehr als Eigentum wahrnehme. Wenn ich ein Stück schreibe, versehe ich es mit einer bestimmten Bedeutung. Dann begleitet mich dieser Song über viele Jahre, ich verändere ihn, passe ihn der jeweiligen technischen und zeitlichen Entwicklung an. Der Gehalt bleibt jedoch stets derselbe. Um mich zu schützen, habe ich mein Herz gegenüber der Reaktion anderer Menschen auf meine Songs hermetisch verschlossen. Durch diese externen Versionen hat sich für mich erstmals der Inhalt geändert. Ich kann die Songs hören, als wären sie nicht mit den ursprünglichen Bedeutungen besetzt. Der Unterschied zur Produktion eines regulären Albums war aber nicht so gravierend. Bei jeder CD musst du den Tracks spätestens nach Abschluss der Aufnahmen ein gewisses Maß an Objektivität entgegenbringen.

4 In welchem Verhältnis steht Ihr Remix-Album zu dem Lovc-Album der Beatles, an dem Sie ja auch beteiligt waren?

Das ist ein ganz anderes Projekt. George Martin wurde von den Beatles engagiert, um die CD zu produzieren. Das ist ja nicht die Sicht vieler verschiedener Künstler auf ein Werk, die dann aus ihrer jeweiligen Perspektive was anderes daraus machen, so dass sich aus all den einzelnen Tracks eine Art Panorama ergibt. Für die Beatles selbst war das aber ein ganz wichtiger Schritt, weil sie etwas Derartiges bisher nie getan haben. Ich bin sehr zufrieden damit.

5 Sind Begriffe wie Original und Kopie für Sie noch sinvoll?

Solche Kategorien sollten nicht mit allgemeingültigen Inhalten gefüllt werden. Jeder Mensch kann sie für sich interpretieren. Manche Leute kleiden sich nach der neuesten Mode, andere lieber second hand. Über die Menschen als solche sagt das gar nichts, diese Entscheidungen sind von vielen Dingen abhängig. Viel wichtiger ist doch, dass jeder in jedem Moment seines Lebens inspiriert ist und Liebe empfindet. Was ein Kunstwerk auslöst, wissen wir erst, wenn es veröffentlicht ist. Wenn man mit einem Statement wie „Yesterday“ einen kleinen Beitrag zum Frieden leistet, spielt es doch keine Rolle, ob es sich um ein Original oder eine wie auch immer entstandene Kopie handelt.

www.yoko-ono.com