Yoko Ono: Würdige Witwe


Auch wenn sie oft für das Ende der Beatles verantwortlich gemacht wird: Yoko Ono ist eine würdige Nachlaßpflegerin.

Schon als sich die „Anthologies“ der Beatles ankündigten, wurde Ihnen und den Beatles Geldschneiderei vorgeworfen. Jetzt haben Sie auch noch eine „John Lennon Anthology“ veröffentlicht.

„Mit der ‚John Lennon Anthology‘ wollte ich den alten Fans etwas von John geben und den jungen Leuten Johns Musik nahebringen. Die Beatles und auch ich, wir können alle sehr bequem leben. Wir denken nicht so sehr ans Geld. Wir sind Künstler, und unser Stolz liegt darin, bestmögliche Produkte herzustellen. Geld ist nicht so wichtig. Denn selbst wenn man mit einem Produkt genug Geld verdient, ist man doch sehr gekränkt, wenn man angegriffen wird, weil man künstlerisch nicht gut genug war.“

Genau das ist bei der „Beatles Anthology“ passiert. Auf der ‚John Lennon Anthology‘ gibt es jetzt die Originalversion des Songs „Real Love“ zu hören, der damals in überarbeiteter Fassung als Single veröffentlicht wurde und nicht nur Lob erntete.

„Mir gefiel die Beatles-Version außerordentlich, Produzent Jeff Lynne hatte doch sehr gute Arbeit geleistet. Allein die Tatsache, daß sich die restlichen drei Beatles wegen Johns Song wiedervereinigen konnten, war, so glaube ich, für die Welt sehr wichtig.“

Aus welchem Grund?

„Das Bild der Einigkeit ist heutzutage, wo so viele Menschen deprimiert sind, enorm wichtig. Das war eine schwierige Situation für Paul, George und Ringo. Denn während sie Johns Song sangen, war ihnen diese Symbolik natürlich bewußt.“

Welches Lied ist Ihr Lieblingssong auf der ‚John Lennon Anthology‘?

„Der erste Take von „Imagine“ hat in mir ein besonderes Gefühl erzeugt. John singt so schön, mit so viel Gefühl.“

Welchen Anteil hatten Sie an den Songs?

„Ich war einfach nur da.“

Welche Eigenschaften haben Sie an John Lennon am meisten geschätzt?

„Rückblickend ist es leichter, alles an ihm zu mögen. Als wir zusammenlebten, war es manchmal natürlich schon schrecklich, vor allem, wenn er wütend wurde. Aber in meiner Erinnerung war er selbst dann süß, wenn er sauer wurde. Er benahm sich dann fast wie ein Kind. Doch danach hat er sich immer entschuldigt.“

Warum wurde er in den letzten Jahren seines Lebens so oft mißverstanden?

„Weil er sich immer selbst Probleme geschaffen hat. Weil er zu ehrlich war. Und weil er nicht den üblichen Entertainer-Stil drauf hatte. Er war eben sehr intensiv. Er verkündete all seine Überzeugungen lauthals, was unter den damaligen Entertainern einfach nicht üblich war. John war der erste, der politische Themen in seine Songs einfließen ließ. Und das kam nicht immer gut an.“

Wurden Sie in künstlerischer Hinsicht von John ernst genommen?

„1980 sagte er zu mir: „Wenn du ein Mann wärst, hätten die Leute dich schon längst emstgenommen – als Künstler, Musiker und meinen Partner. Aber weil du eine Frau bist, tun sie dich lieber ab als Mrs. Lennon. Vielleicht sollten wir der Welt verkünden, daß du eigentlich ein Mann bist.“ Wir haben sehr gelacht.“

Welche Fehler haben sie beide damals begangen?

„Wir waren so ungeduldig. Wir sagten: „Okay, jetzt haben wir unser Bed-In gemacht. Nächstes Jahr wird es den Weltfrieden geben.“ Das ist dann natürlich nicht passiert, weil so etwas eben Zeit braucht. Irgendwann waren wir dann entmutigt. Auch als „Imagine“ in Amerika nur auf Rang 2 kam, waren wir sehr enttäuscht. Wir hatten gedacht, daß John mindestens auf Platz 1 kommen würde, vielleicht sogar auf einen Extraplatz (lacht). Aber immerhin breitet sich die Idee, die in „Imagine“ steckt, langsam aus.“

Wie war das eigentlich mit dem UFO, das sie vom Dakota Building aus gesehen haben wollen, und das John neue Nahrung für seine Angst vor der Verfolgung durch die US-Behörden lieferte?

„John hat das UFO gesehen, ich nicht. Außerdem war sich John immer dessen bewußt, daß er verfolgt und sein Telefon abgehört wurde. Dazu kam, daß die Einwanderungsbehörde versuchte, ihn aus dem Land zu werfen. Wir wußten, daß es eine dicke Akte beim FBI gab.“

Ihr Sohn Sean macht auch Musik. Haben Sie das Gefühl, daß er Johns Werk auf irgendeine Art weiterführt?

„John und ich wollten Sean nie in dieser Richtung beeinflussen. Sean ist ein New Age-Mann. Er sorgt sich sehr um andere Menschen, macht sich Gedanken über die Umweltverschmutzung. Im Moment will er vor allem deutlich machen, daß er eine eigenständige Person ist. Wissen sie, was in diesem Zusammenhang witzig ist?“

Nein, aber wir sind gespannt.

„Sean sagt immer wieder: „Ich bin ganz anders als mein Vater“. Doch ich sehe ihn an und höre, wie er redet, und es ist fast so, als würde John sprechen. Und dann denke ich: „Oh, nein, das sage ich ihm jetzt besser nicht.“