ZZ Top: Mit erdigem Blues und Boogie zurück an die Spitze


Im Juli bringt das Turbo-Trio aus Texas seinen kalorienreichen Bluesrock auf deutsche Bühnen. Doch was ist bloß mit Gitarrist Bill Gibbons los?

Der Antennenmast strahlt giftig grün, verheißt den zehntausend Zuschauern in der schmucklosen Mehrzweckhalle von Dayton/Ohio nichts Gutes. Und tatsächlich: Sekunden später bricht auf der Bühne ein Inferno aus wild sprühenden Funken, gleißenden Lichtblitzen und wabernden Rauchschwaden los. Trotzdem steht das Publikum vor Entzücken auf den Stühlen. Und dieser Jubel hat einen Grund: ZZ Top sind in der Stadt. Auch hier, in der amerikanischen Provinz, löst die bärtige Blues- und Boogie-Bruderschaft einen Sturm der Begeisterung aus – stehende Ovationen schon zu Beginn des zweistündigen Auftritts. Einer Show, in der Bill Gibbons, Dusty Hill und Frank Beard – neben Klassikern wie „La Grange“ – die Songs ihres aktuellen Albums „Antenna“ präsentieren. Vorbei die Zeiten, in denen das Turbo-Trio aus Texas auf teure Technik setzte. Sampler und Synthies haben weitestgehend ausgedient. Heute verlassen sich die Auto-Freaks mit dem skurrilen Äußeren fast ausschließlich auf ihre rundum gediegenen handwerklichen Fähigkeiten.

Bill Gibbons legt mit seiner Gibson-Gitarre ein solides Fundament aus klassischen Blues- und Boogie-Riffs, auf dem Dusty Hill mit druckvollem Bass den eher schlichten Kompositionen die nötige Wucht verleiht. Derweil bestimmt Drummer Frank Beard – den Kopfhörer am Ohr – das Tempo der turbulenten Veranstaltung.

Und geboten ist einiges, wenn ZZ TOP auf der Bühne stehen. Die Bluesrock-Veteranen geben nicht nur musikalisch Gas, sondern verwöhnen zudem auch noch das Auge. Was einerseits für die (zum LP-Titel „Antenna“ passende) Antennen-Kulisse, in ganz besonderer Weise aber für die acht aufgebotenen Glitter Girls gilt. Mädchen mit Beinen bis zum Hals, die ZZ-eigenen Songs wie „Automobile“, „Pincushion“ und „World Of Swirl“, aber auch dem Elvis-Evergreen „Viva Las Vegas“ in knappen Kostümen die optische Würze geben. Amerikanisch durchgestylte Hormonbeschleuniger, an denen die nicht mehr ganz taufrischen drei aus Texas selbst nach knapp 25 Jahren „on the road“ noch ihren Spaß haben. „Die Girls“, gesteht Drummer Frank Beard, „gehören irgendwie dazu.“

Die barbusige Blonde in der ersten Reihe inklusive.

Gitarrist Bill Gibbons, innerhalb des ZZ Top-Clans als Kunstliebhaber eher Schöngeist denn Biertrinker, begleitet die Girl-Geschichte seines trommelnden Kollegen mit schallendem Gelächter – und wirkt bei unserem Gespräch in der geräumigen Suite seines Hotels doch bisweilen abwesend. In erschreckender Weise abgemagert und selbst im schattigen Zimmer mit einer schützenden Sonnenbrille ausgestattet, ist seine sonore Stimme in jenen Momenten das einzig starke an diesem Mann. Doch die Frage nach einer etwaigen Erkrankung Gibbons‘ wird von Manager Bob Small in Austin/Texas höflich aber bestimmt beiseite gewischt: „Bill möchte ganz einfach so mager sein, wie er jetzt ist. Er ist hundert Prozent okay und fühlt sich besser als früher.“ Auch ZZ Tops Plattenfirma RCA in New York möchte nichts von einer möglichen Krankheit hören: „Das einzig Ungesunde an Bill Gibbons ist, daß er zuviel Diät-Cola trinkt.“ Am 8. Juli spielen ZZ Top im Müngersdorfer Stadion in Köln, am 9. Juli beim Open-Air-Festival in Schüttorf.