Happy Birthday, Marilyn!


Marilyn Monroe wäre heute 90 Jahre geworden. Redaktionsleiter Arne Willander würdigt sie mit einem Portrait.

Von Dr. Greenson und dem Internisten Hyman Engelberg wurde ihr das Schlafmittel Nembutal verschrieben, und an vielen Drehtagen erschien sie nicht im Studio, von Erkältungen und einer Nebenhöhlenentzündung geschwächt. Der Studio-Arzt bestätigte die Infekte. Wenn sie am Set erschien, arbeitete Marilyn konzentriert und geduldig, etwa bei Szenen mit den Kindern und einem Hund. Ihr war zugesichert worden, dass sie im Mai zur Geburtstagsfeier von John F. Kennedy nach New York fliegen könnte, doch mittlerweile war der Drehplan weit im Verzug. Als sie in New York eintraf, erfuhr Marilyn, dass sie in Los Angeles entlassen und auf Vertragsbruch verklagt worden war. Dem Studio kam es gelegen, denn in Rom war „Cleopatra“ in Produktion, bei dem das Budget noch abenteuerlicher überzogen wurde, und die Extravaganzen von Elizabeth Taylor füllten die Presse. Die kleine Komödie sollte ein Versicherungsfall werden. George Cukor engagierte Lee Remick für Marilyns Rolle, doch Dean Martin weigerte sich, mit einer anderen Schauspielerin als Marilyn an dem Film zu arbeiten, woraufhin „Something’s Got To Give“ aufgegeben wurde.

1959, „Manche mögen’s heiss“: Marilyn als Ukulelespielerin Sugar Kane in Billy Wilders witzigster Komödie – Tony Curtis fand überraschend, das Liebesspiel mit ihr sei „wie Hitler küssen“.
1959, „Manche mögen’s heiss“: Marilyn als Ukulelespielerin Sugar Kane in Billy Wilders witzigster Komödie – Tony Curtis fand überraschend, das Liebesspiel mit ihr sei „wie Hitler küssen“

Bei der Geburtstagsgala für den Präsidenten hatte Marilyn den berühmten verspäteten Auftritt im hautengen Paillettenkleid und sang das „Happy Birthday“. Die Anwälte von Fox stritten mit Monroes und Dean Martins Produktionsfirma um Schadensersatz. Marilyn, nicht resigniert, posierte für Fotos und gab Interviews, eines dem „Life“-Redakteur Richard Meryman: „Diese Arbeit ist ein Tausend-Meter-Lauf: Man rennt, und dann ist man vor der Ziellinie und denkt, man hat es geschafft. Aber das hat man nie. Es gibt noch eine Szene und noch einen Film, und man fängt wieder von vorn an.“ Und: „Es gibt eine Zukunft, und ich kann es kaum erwarten, an die Arbeit zu gehen.“ Ein Film über Jean Harlow war geplant, ein Film mit Dean Martin.

An einem Wochenende im Juli reiste die Monroe mit dem fürsorglichen Joe DiMaggio nach Lake Tahoe, wo sie ein Konzert von Frank Sinatra besuchten, mit dem Marilyn mehrere Techtelmechtel hatte. Das Wochenende war Anlass für Spekulationen über Verbindungen zur Mafia wie über eine Affäre mit Robert Kennedy, doch tatsächlich beschlossen Marilyn und Joe, wieder zu heiraten, und zwar im August.

1961, „Misfits“: Drei Männer und eine Frau beim Rodeo und beim Pferdefangen – Arthur Millers Schwarz-Weiß-Elegie auf die alten Zeiten, ein Lasso für Träume und seine Liebe zu Marilyn
1961, „Misfits“: Drei Männer und eine Frau beim Rodeo und beim Pferdefangen – Arthur Millers Schwarz-Weiß-Elegie auf die alten Zeiten, ein Lasso für Träume und seine Liebe zu Marilyn

Am 4. August traf die Presseagentin Pat Newcomb, die im Haus am Helena Drive übernachtet hatte, Marilyn in übler Laune im Garten. Marilyn hatte nicht schlafen können. Es sollte der letzte Arbeitstag der anmaßenden Haushälterin Eunice Murray sein, von der Marilyn sich endlich trennen wollte. Der Internist Dr. Engelberg gab Marilyn regelmäßig Beruhigungspritzen und hinterließ Nembutalkapseln; am Nachmittag machte Marilyn einen Strandspaziergang zu den Lawfords. Die bemerkten, dass sie „unter dem Einfluss irgendwelcher Mittel“ stand.

Als sie wieder zu Hause war, kam Dr. Greenson, der seiner Kollegin Dr. Kris später von einem heftigen Streit berichtete – vermutlich wollte Marilyn sich von dem Psychiater befreien. Der bereitete wahrscheinlich am frühen Abend ein Klistier mit Chloralhydrat, einer Mischung aus Beruhigungs- und Schlafmitteln, vor, das Eunice Murray später Marilyn verabreichte. Bei einem Telefonat mit Joe DiMaggio Jr. wirkte Marilyn „glücklich, vergnügt, munter“, während Peter Lawford, Schwager des Präsidenten, sie eine Viertelstunde später „murmeln und lallen“ hörte. Sie holte Luft und wisperte: „Say goodbye to Pat, say goodbye to the president and say goodbye to yourself, because you’re a nice guy.“ Lawford wurde wütend, Marilyn flüsterte: „I’ll see, I’ll see.“ Weil Lawford bei einer Feier und angetrunken war, verständigte er den Anwalt Milton Rudin, der am Telefon mit Eunice Murray sprach, die angeblich nach Marilyn sah und behauptete, es gehe ihr gut.

Marilyn 1954 im Garten ihres Hauses
Marilyn 1954 im Garten ihres Hauses

Später gab Murray an, sie habe um drei Uhr einen Lichtschein in Marilyns Zimmer gesehen, die Tür aber nicht öffnen können und dann von außen die schweren Vorhänge mit einem Schürhaken auseinandergeschoben, woraufhin sie Marilyn nackt und bewegungslos auf dem Bett liegen sah und  Greenson verständigte. Der schlug ein Fenster ein, öffnete die Außentür und sagte zu Murray: „Wir haben sie verloren.“ Ein Krankenwagen wurde gerufen und wieder abbestellt. Erst um fünf Uhr morgens kam der Polizist Jack Clemmons zum Haus. Das Bettzeug fehlte, die Waschmaschine lief, alles war ordentlich. Nach Donald Spotos Rekonstruktion hatte Eunice Murray schon vor Mitternacht gewusst, dass Marilyn tot war, und mit Greenson und Engelberg die Vorgänge vertuscht. Marilyn war an der Kombination von Nembutal und dem Chloralhydrat, das sie im Delirium ausgestoßen hatte, gestorben. Die Gerichtsmediziner erkannten „eine rektale Zufuhr von Beruhigungs- und Schlafmitteln“; die tödliche Dosis könne „nur durch ein Klistier verabreicht worden sein“. Die Untersuchungskommission gab aber bekannt: Selbstmord durch Tabletteneinnahme.

Ralph Greenson sagte später: „Nun ja, ich habe in meinem Leben einige Fehler gemacht.“ Eunice Murray klagte mit 77 Jahren: „Ach, warum muss ich diese Sache immer noch vertuschen?“

In dem Interview mit Richard Meryman hatte Marilyn Monroe gesagt: „Sie wissen nicht, wie es ist, alles zu haben, was ich habe, und nicht geliebt zu werden und das Glück nicht zu kennen.“ Aber auch:
„Das Alter macht mir nichts aus. Ich mag es, wie ich die Dinge jetzt sehe. Die Zukunft gehört mir, und ich muss das Beste daraus machen – wie jede Frau.“

 

Der wunderbare Bildband „Marilyn Monroe“ mit den Fotos von Bert Stern aus der letzten Session und einem Text von Norman Mailer ist im Taschen Verlag erschienen und kostet 49,95 Euro.Der wunderbare Bildband „Marilyn Monroe“ mit den Fotos von Bert Stern aus der letzten Session und einem Text von Norman Mailer ist im Taschen Verlag erschienen und kostet 49,95 Euro.

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