Gebildet statt Gaga: Was Balbina und Petite Meller gemeinsam haben


Zwei Künstlerinnen mischen momentan mit Kant, Kastenmode und Kunstanspruch die Musikwelt auf und sind dabei, mit Inhalt und Verkleidung die reine Oberflächlichkeit als Aufmerksamkeitsquelle abzulösen. Jan Schmechtig über die neue Art aufzufallen.

Während die Eine mit viel Rouge, Blässe und buntem Turban auf einem Tisch sitzt und mit Giraffen Tee trinkt, schaut die Andere meist streng und sieht aus wie eine Mischung aus Roisin Murphy und Lena Meyer-Landrut. Beide sind erst kürzlich ins Rampenlicht getreten und beide verstecken hinter ihrem mehr oder weniger auffälligen Auftreten wahlweise schlimme Schulerlebnisse oder einen Hang zu Freud.

Da wäre zunächst einmal Balbina alias Balbina Monika Jagielska, die Textpoetin, von ihrer Lehrerin verkannt, in Berlin-Moabit und -Neukölln aufgewachsen und nun Support-Act von Herbert Grönemeyer. Auf der anderen Seite ist da Petite Meller, Tochter eines polnischen Vaters und einer französischen Mutter. Neben ihrer Masterarbeit im Fach Philosophie beschäftigt sie sich mit Freud, Kant oder auch Shakespeare. Aussehen tut sie allerdings wie eine Mischung aus japanischem Schulmädchen und Lolita mit zu viel Rouge. Dies liegt nicht zuletzt wohl auch an ihrem Japan-Aufenthalt.

Das neue „Geist ist Geil“-Phänomen

Was macht diese beiden Frauen so besonders? Im Grunde sind sie so etwas wie die nächste Musikergeneration, bei der Bildung und hintergründige Texte nicht zwangsläufig ein auffälliges Äußeres ausschließen. Während Balbina schräg philosophiert „ … Klopf Klopf läuft da wer in Kloks Kloks über Coco Pops in meinem Kopf rum …?“, lässt sich Petite Meller eher visuell inspirieren. Zum Beispiel im Video zu „Baby Love“, das sich an Brigitte Bardot im Film „ … und ewig lockt das Weib“ orientiert.

Doch aller tatsächlichen oder vermeintlichen Tiefgründigkeit zum Trotz geht es beiden Künstlerinnen aber natürlich auch ums Auffallen, denn Musik allein reicht schon längst nicht mehr. Und so rückt Balbina durch das Verstecken, Verformen und Verkleiden ihres Körpers Text und Musik in den Vordergrund und wird dadurch ganz „zufällig“ zum wahrscheinlich ersten modernen avantgardistischen deutschen Musikact. Währenddessen setzt Petite Meller ihren Körper in knappen Matrosenoutfits oder Tape-Kleidern zusammen mit süßem Blick bewusst sexualisiert ein. Dies dann allerdings auf eine unverschämt falsch unschuldige Weise kombiniert mit einem leicht irren Blick. Und während sie in einem kurzen Video Freud erklärt, bringt sie das neue „Geist ist Geil“-Phänomen ganz gut auf den Punkt: „Sometimes a Cigar is just a cigar“.

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Jan Schmechtig bloggt unter Horstson.de über Männermode und Musik – und in loser Regelmäßigkeit auf musikexpress.de. Die Meinung in diesem Text spiegelt entsprechend nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wider.