Balbina

Über das Grübeln

Four Music/Sony Music

Ihr fällt nichts ein, sie macht aber eine hochtrabende Kunstliedpop-Nummer draus.

Es ist ungerecht, deutschsprachiger Popmusik grundsätzlich ein Mehr an Geist und Witz abzuverlangen. Aber für ein kunstliedhaftes, plakatives Dichterseelen-Album wie ÜBER DAS GRÜBELN gelten zwangsläufig andere Kriterien als für, sagen wir: eine Scheibe der Kapelle Revolverheld.

Balbina, eine dank Vorab-EP und kleinen Auftritten an strategisch gut ausgesuchten Orten bereits hier und da gefeierte Künstlerin aus Berlin, dachte sich, ich mache einfach eine Tugend draus, dass mir nichts recht einfallen will fürs Textblatt meines Major-Debüts. Also besingt sie mit ihrer außergewöhnlichen, stellenweise fast „torfig“ zu nennenden Alt-Stimme und bespielt mit mit viel Mühe zusammengebastelten Worten den Zustand des In-sich-Kramens, Harrens und Haderns – doch verräterischerweise nicht einen Heureka-Moment. Was für eine zähe Angelegenheit diese Platte geworden ist.

Auch musikalisch leisten weder die wenig prägnanten Pianostücke Abhilfe noch am anderen Sound-Pol dieses Albums der typische, mit kammermusikalischem Klimbim angereicherte Schlagerpop-Pomp, der aktuell über so viele Platten drüberproduziert wird. Und auch die steifen Gast-Raps von Justus Jonas und Maeckes reißen nichts. ÜBER DAS GRÜBELN wird dort fast noch zu einem Ärgernis, wo alles Nachsinnen nur einen ollen Goldfisch als Metapher auf die eigene Vergesslichkeit ausspuckt oder eine heruntergebrannte Erkenntnis wie „Das Ist ist jetzt schon vorbei“ trotz angestrengter, umständlicher Dichterei rund um das Wesen der Zeit (vgl. „Was ist ist – was nicht ist ist möglich“ von den Einstürzenden Neubauten über das We- sen von, äh, allem).

Und obwohl Balbina so ausdauernd ihre Bilder austariert hat, hängt manches doch buckelschief in der Poetenstube – wie in dem Stück „Tisch“, wo als Metapher für die Unentschlossenheit ausgerechnet ebenjener herhalten muss: „Ich stehe zwischen den Stühlen wie ein Tisch“. Aber dort gehört er doch hin, der Tisch, ganz Möbel gewordenes Symbol des (Bei-sich-)Angekommen-Seins. Wären wir alle Tische zwischen den Stühlen, wie weggepustet wäre alle Grübelei.