Björk

Biophilia

Polydor/Universal 7.10.

Gar nicht mal so versponnene Experimentalmusik, für die die Isländerin allerdings sehr weite Wege gegangen ist.

Wenn einem zwischendurch dann wieder die blanke Schönheit um die Ohren gehauen wird, wie in dem Stück „Cosmogony“, in dem Björk zum ewig majestätischen Klang von Hörnern und dem gleisenden Anschwellen mächtiger Becken singt, als würde sie mit ersten Worten nach einer Pfingsterfahrung beschreiben wollen, was sie gesehen und gesegnet hat („Heaven, heaven’s bodies / Whirl around me and dance eternal“), kriegt man natürlich sofort ein schlechtes Gewissen: Wie sollte diese

Platte und wie sollte überhaupt eine Platte von Björk als eher mittelmäßig empfunden werden? Doch dann kommt der rettende Anruf von Björk. Nein, sie hat nicht direkt hier angerufen. Aber irgendwo. Und von dort wurde eine Anrufkette in Gang gesetzt. An einem Ende: wir. „Wahrscheinlich wird die Veröffentlichung um zwei Wochen geschoben. Sie will noch was am Album ändern.“ Und ohne zu wissen, was sie ändern möchte, steht das doch für das Problem, das man mit Biophilia bekommt, früher oder später: Es klingt, als wäre schon arg viel daran herumgeschraubt worden. Es klingt insgesamt nach sehr vielem, aber nach zu wenig, was ein Album zusammenhält. Einer so vielseitigen, multdisziplinären und -visionären Künstlerin, wie Björk es ist, vorzuwerfen, dass sie sich einfach verfranst hat, zwischen all den Apps und dem Bau von Musikmaschinen und der Integration immer neuer Instrumentalisten aus aller Welt, das ist ja eigentlich Unsinn. Bislang hat sie das noch immer irgendwie gepackt. Ihre Vision, die künstlerische Autorität und am Ende Björks beispiellose Stimme, die alles durchdringt wie die universelle Energie, über die sie so gerne singt, haben alles zusammengehalten. Doch auf Biophilia laufen ihr nun doch ein paar Dinge aus dem Ruder.

Obwohl die Platte – vorausgesetzt, man ist mit Björk einigermaßen vertraut – zugänglicher und melodiöser wurde, als man bei Ansicht der Absichten und Zutaten glauben durfte, lässt sie einen immer wieder auf seinem Zuhörerplatz herumrutschen wie ein Konzerthausbesucher, dem der Abend hier und da ein wenig zu lang wird. Inhalt und Konzeption mag das ja gerecht werden, die Liveaufführung ist ganz bestimmt imposant und dehnt Ohr und Auge und damit das Gehirn. Und wenn man mit dem Finger über das iPad rutschend Klänge und Bilder manipuliert, funktionieren vielleicht auch Songs wie das halb verspukte, halb verspulte Orgelstück „ Hollow“ oder das meditative Kreise ziehende „Solstice“. Aber gerade in der etwas ziellosen Melodieführung solcher Stücke hat sich Björk vielleicht ein wenig zu sehr der kleinen Björk genähert, die auf ihrem langen Schulweg Li-La-Lieder ersinnt. Dazu kommt, dass die Isländerin ganz im Gegenteil zu dem Bemühen, den selbst gebauten Maschinen neue Töne und assoziative Zufälligkeiten zu entlocken, auch auf olle Soundpatterns zurückgreift, die sie und ihre IDM-Freunde doch schon vor über zehn Jahren zurück in die ewigen Speichergründe verbannt hatten. Key Tracks: „Cosmogony“, „Crystalline“