Carol :: Regie: Todd Haynes, USA/Großbritannien 2015

Kino der Blicke, Kino der Leidenschaft: Meisterliche Verfilmung eines Romans von Patricia Highsmith.

Als Todd Haynes sich vor 13 Jahren mit „Dem Himmel so fern“ erstmals am Kino der Fünfzigerjahre orientierte, war sein Blick noch der eines Außenseiters. Da war er noch der junge Wilde, der die Versatzstücke des Kinos von Douglas Sirk ummontierte und all die verbotenen Dinge ausbuchstabierte, die „Was der Himmel erlaubt“ bestenfalls anzudeuten wagte. Es war ein Film aus der Gegenwart mit den Mitteln der Vergangenheit.

Mit „Carol“ verschmilzt Haynes nun mit dem Kino der Fünfzigerjahre. Seine Verfilmung des zweiten Romans von Patricia Highsmith, „Salz und sein Preis“ von 1953, der so autobiografisch war, dass die aufstrebende Krimiautorin ihn unter Pseudonym veröffentlichte, versucht nicht, William Wyler oder Vincente Minnelli nachzuahmen. Er ist William Wyler oder Vincente Minnelli. Jedes Bild dieses erschütternd perfekten Films ist ein Gedicht, am liebsten würde man einen Rahmen drum herumhängen. Jede Geste sitzt, jeder Satz, jede Mimik.

Auf der Höhe seiner Kunst erzählt Haynes von einer Amour fou: der langsamen Annäherung einer mondänen Dame aus New Yorks feiner Gesellschaft und der jungen Verkäuferin eines Kaufhauses, die einander sehen und sofort spüren, dass da eine Verbindung ist. Gespielt werden sie von Cate Blanchett und Rooney Mara, aber natürlich sind sie Greta Garbo und Audrey Hepburn. Wir erleben mit, wie sie sich ineinander verlieben, wie sie fliehen und wieder eingefangen werden. So zart und fragil ist das Konstrukt, dass man stets damit rechnet, etwas furchtbar Schlimmes könne passieren. Und dann läuft doch alles auf einen Moment hinaus, einen Blick, in dem sich zwei Augenpaare treffen. Es soll nicht verraten werden, wer sich da gegenseitig ansieht und was dieser Augenblick ausdrückt. Aber es ist ein Moment für die Ewigkeit, in dem mehr Emotion, Bedeutung und Tiefe steckt als in jedem einstündigen Showdown eines Marvel-Films, der mit Zerstörung aufwühlen will und doch nur ermüdet. Aber hier erlebt man die Essenz des Kinos. Nämlich: alles, was der Himmel erlaubt.

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mit Rooney Mara, Cate Blanchett, Kyle Chandler