Album der Woche

Leonard Cohen

You Want It Darker

Sony

Cohen richtet sich mit betörenden Torch-Songs an den Tod, der ihm seine Muse nahm.

Der Herbst rückt an, bald macht er dem Winter Platz. Nick Caves SKELETON TREE hallt weiter nach, wie ein Echo, das nicht verklingen will. So ist er, der Tod. Er nimmt nicht nur, er verschwindet auch nicht wieder. Auftritt Leonard Cohen.

Nick Cave betrachtet ihn als Vorbild, als Literat des Lebens, der Liebe und – auch immer schon – des Todes. Kurz eine Episode Mitten aus dem Leben dieses Mannes: Anfang der 60er, Cohen war noch Poet, lebte er auf der griechischen Insel Hydra. Eines Tages begegnete er in einem Geschäft der Norwegerin Marianne Ihlen, Frau des Dichters Alex Jensen. „A lightness had come over me“, beschrieb sie die Begegnung später. Für die Cohen-Fans war sie die Heilige Muse ihres Idols, er schrieb für sie „So Long, Marianne“.

Im Sommer 2016 erhielt Cohen eine Email von einem engen Freund von Marianne Ihlen. Sie leide an Krebs, habe nicht mehr lange zu leben. Cohen schrieb ihr: „Well Marianne, it’s come to this time when we are really so old and our bodies are falling apart and I think I will follow you very soon. Know that I am so close behind you that if you stretch out your hand, I think you can reach mine.“ Marianne erhielt den Brief noch rechtzeitig. Ein paar Tage später starb sie, ruhig und friedvoll.

Man hat Marianne und Cohens letzte Worte an sie im Kopf, wenn man nun YOU WANT IT DARKER hört. „I’m ready, my Lord“, singt Cohen im Titellied, eine sarkastische Begegnung mit Gott und dem Tod, der lässige Ton erinnert an Thees Uhlmanns Roman „Sophia, der Tod und ich“, an dessen Ende dann schließlich auch die Tränen kamen. „I’m angry and I’m tired all the time“, heißt es bei „Treaty“, die feierlich-bittere Abrechnung einer Liebe: Wäre gut, wir hätten einen Vertrag gemacht.

Cohens Sohn Adam hat als Produzent dem Alten die Schrullen ausgeredet

Cohen, 82, singt mit einer übermenschlich tiefen Stimme, als wäre Tom Waits sein mit Honig beschmierter Kehlkopf in die Magengrube geplumpst. Die Musik ist besinnlich, Klangexperimente gibt es nicht, Cohens Sohn Adam hat als Produzent dem Alten die Schrullen ausgeredet. Wichtiges Element sind die Chöre, es singen nicht länger die aufreizenden Frauen, sondern mönchsgleiche Männer. Erst kurz vor Schluss strömt bei „Steer Your Way“ Frischlust in die Zeremonie: Eine freche Geige, eine Frau an seiner Seite. Noch einmal Leben, bevor das Werk mit einem Streichquartett endet. Die Stille danach ist kaum auszuhalten, aber sie währt nur kurz, so sehr hallt auch YOU WANT IT DARKER nach.