Virginia Wing

Forward Constant Motion

Fire Records/Cargo

Ein Mitglied weniger, aber mindes­tens ein Sprung auf der Qualitätsleiter höher: Der erstaunliche Vorstoß der englischen Band in die Welt der elektronischen Musik der 80er-Jahre und darüber hinaus.

Ja, in der Tat: Die Gruppe aus dem Süden Londons ist auch ohne ihren Schlagzeuger Sebastian Truskolaski noch viel wert. Nicht nur das, sie ist sogar um einiges besser als vorher. Endlich mäandrieren Alice Merida-Richards und Sam Pillay nicht mehr endlos durch das Tal der verträumten Psychedelia und die Vorgaben von Stereolab, Lush oder Broadcast wie auf ihrem zwei Jahre alten Debüt MEASURES OF JOY. Jetzt haben sie Postpunk und europäischen Elektronik-Sound in den Mittelpunkt ihres Interesses gerückt.

Natürlich schwankt die Stimme von Merida-Richards noch immer durch das britische Indie-Land der späten Achtziger und letztlich der gesamten Neunziger. Aber der Sound, den sie mit Pillay macht, ist doch ein anderer. Es rockt nicht mehr so, der Trommelschlag ist weg. Dafür kommt der Synthie-Beat klar und trocken daher und einen besonderen Eindruck hinterlässt auch die Nähe zum 1984er-Brocken Machine Age Voodoo der australischen Industrial-Rock-Institution S.P.K. zum Schluss von „Lily Of Youth“.

„ESP Offline“ landet auf dem fluoreszierenden Sound einer Steel-Drum und folglich in anderen, aber auch sehr anregenden stilistischen Regionen. In „Grapefruit“ sorgt die Andeutung des „Juicy Fruit“-Beats der Funk/Soul-Combo Mtume aus dem Jahr 1983 für Freude, aber auch das Wandern in der Stimme von Merida-Richards passt bestens. Mit dem volleren Beat in „Miserable World“ unternehmen Virginia Wing sogar einen gewagten Ausflug in die Welt von Kraftwerk. Da kommen schon eine Reihe von Einflüssen zusammen. Die Qualität dieser Band zeigt sich schließlich darin, dass sie einen Fluss schafft, der unmissverständlich ihr eigener für die Gegenwart ist. Man bleibt von Anfang bis Ende bei ihnen. Kompliment.