Jan Joswig kontrolliert: Karen O von den Yeah Yeah Yeahs


Das Glitzereinteiler und High-Fashion-Kostüme gehen gut mit Rock 'n' Roll zusammen, beweist Karen O von den Yeah Yeah Yeahs. Mit blondiertem Haar wirkt die Sängerin jetzt auch noch extra-verrucht, findet unser Stil-Kolumnist Jan Joswig.

Frauen haben es gut im Rock’n’Roll: Sie können die Lederbraut-Nummer im Catsuit abziehen oder auf Glitzerpomp machen – ohne dabei lächerlich zu wirken. Bestes Beispiel, wie glaubhaft beides funktionieren kann, ist Karen O von den Yeah Yeah Yeahs.

Joan Jett, Suzie Quatro und Poison Ivy haben ihren Simpel-Riffs durch Catsuits die nötige Autorität verliehen. Christina Martinez von Boss Hog führte in den 1990ern die Eng-und-schwarz-Tradition fort. Ihre Mini-Miniröcke sind legendär, sie zelebrierte am Bühnenrand Aggro-Burlesk lange vor der Burlesk-Welle. Pin-up, aber böse. Auch Karen O lässt sich bei der Slim-Frage nicht lumpen, aber bei ihr glitzert alles so schön. Sexy Las Vegas. Pin-up, aber ironisch.

Ihre Seitenmänner halten sich als die Dienstleister des Rock’n’Roll in geradlinigem Schwarz zurück. Gitarrist Nick Zinner versuchte in den Anfangstagen mit seiner Cramps-Tolle wenigstens noch ein charismatisches Zitat. Aber Gene-Vincent-Leder oder violetter Little-Richard-Samt? Keine Traute. Die Repräsentationspflicht hängt an der Frau. Dem Lo-Fi-Rock setzt sie die High-Fashion-Kostüme entgegen.

Als wichtigste Erfüllungsgehilfin steht ihr Modedesignerin Christian Joy zur Seite. Die Glitzereinteiler und dekonstruierten Ballkleider von Karen Os Bühnenshow stammen alle aus dem Atelier der autodidaktischen New Yorkerin. Der Yeah-Yeah-Yeahs-Beat wäre sehr klapprig, würde er nicht an diesem visuellen Alleinstellungsmerkmal aufgehängt. Christian Joy und Karen O sind das geheime Duo hinter dem Erfolg der Band.

Andererseits würden sich Karen Os modische und gesangliche Manierismen ohne die schroffe Musik in Kate-Bush-Tantigkeit verlaufen – probierte sie sich doch anfangs als Folksängerin. An ihrer Kostüm-Strategie hat sie zum neuen Album MOSQUITO festgehalten, aber mit einem anderen Detail kickt sie jeglicher bürgerlichen Distinktion noch nachdrücklicher in den Arsch: dem Schritt vom dunklen zum blondierten Haar. Es greift die blonde Bürstenfrisur des trashdigitalen Cover-Babys von MOSQUITO in all seinem debilen 90s-Humor auf. Und eine andere Analogie schlägt ebenso hart ein: Der blondierte Pony macht sie zur Schwester von Juliette Lewis in „Natural Born Killers“. Dieser Anflug von brutaler moralischer Verderbtheit erhöht Karen Os Rock’n’Roll-Glaubwürdigkeit enorm.