5 Fragen an Moby


Über Reklame, Haß, öffentliche Einsamkeit, Thom Yorke und Küsse mit selbstgemachtem Soundtrack.

1 Sie haben Ihr neues Album HOTEL genannt. Muss man als Musiker lernen, das Hotel als natürlichen Lebensraum zu akzeptieren?

Selbstverständlich ist ein Grund, daß man als Musiker viel reist und sehr viel Zeit in Hotels verbringt. Aber auch darüber hinaus sind Hotels überaus faszinierende Einrichtungen. Denn fast alles in unserem Leben ist entweder öffentlich oder privat, Hotels gehören zu den öffentlichsten Orten, sind zugleich sehr privat, aber diese private Seite sieht man nie. Dein Hotelzimmer, dein privater Ort war der private Ort tausender Menschen vor dir. Ein Hotelzimmer erinnert mich an das menschliche Leben: Du wirst geboren, du lebst, und wenn du stirbst, nimmt ein anderer deinen Platz ein. Es ist Teil unserer Existenz, festzustellen, daß unser Leben kurz ist, und uns zu fragen, wie wir dieses Leben, dieses Zimmer mit Bedeutung füllen können. In gewisser Weise ist das Hotel eine Metapher für die menschliche Verfaßtheit.

2 Was erwarten Sie von einem Hotelzimmer?

Hier zeigt sich ein weiteres Paradoxon der menschlichen Verfassung: Von einem Hotelzimmer wünscht man sich, daß es privat, sauber und anonym ist. Aber wenn man diesen Raum einmal eingenommen hat, fühlt man sich allein. Als Menschen wollen wir unseren eigenen Platz, abgeschottet von der Welt da draußen, aber wenn man sein Leben so lebt, dann wird man sehr einsam. Ein Hotelzimmer erzählt uns also auch, daß das, was wir uns wünschen, nicht immer gut für uns ist.

3 Viele Ihrer Songs werden für Reklamespots benutzt. Was ist das für ein Gefühl, wenn Sie sehen, daß etwas mit einem Ihrer Songs beworben wird?

Ein seltsames Gefühl. Aber das hängt natürlich immer vom jeweiligen Werbespot ab. Bei diesem American-Express-Film, in dem Tiger Woods seinen Golfball von einem Hausdach zum nächsten spielt, hatte ich eher das Gefühl, mir zahlt jemand Geld dafür, daß ich einen Videoclip für einen meiner Songs drehe – und dann noch mit Tiger Woods! Das hätte ich mir nie leisten können.

4 Für welche Produkte würden Sie keine Songs frei geben?

Für Zigaretten. Wer rauchen will, der soll rauchen, aber ich will damit nichts zu tun haben. Und ich würde meine Musik auch niemals für Fast food freigeben. Die meisten Songs gebe ich sowieso umsonst her, für wohltätige Zwecke zum Beispiel, für Independent-Filme und Studenten-Filme. Aber ich habe nie verstanden, warum es überhaupt ein Problem sein soll, daß ich Songs für Reklamezwecke zur Verfügung stelle schließlich macht das doch jeder Musiker. Viele Journalisten kritisieren mich dafür, aber auch Ihre Zeitung könnte ohne Anzeigen nicht überleben. Der New Musical Express etwa hat mich zwei Seiten lang kritisiert, daß ich meine Musik für Werbung verwenden lasse. Auf der nächsten Seite war dann eine riesige Anzeige für eine Konzertreihe, die der NME zusammen mit einer Bierfirma veranstaltet hat. Auch andere Musiker, von denen ich weiß, daß sie dasselbe tun, haben mich dafür kritisiert. Ich versuche, mich nicht darüber zu ärgern. Ich denke, ich bin ein ziemlich netter Mensch, der in seinem Schlafzimmer in New York Musik macht. Das ist mein Job, meine Leidenschaft, das ist, was ich immer getan habe. Trotzdem hassen mich so viele Menschen – das ist doch verrückt! Ich frage mich wirklich, was ich falsch mache. Andererseits war das aber schon immer so: Im Alter von 12 bis 16 Jahren habe ich klassische Gitarre und Musiktheorie gelernt, während die anderen Musiker an meiner Schule in einer Clique waren, die auf Rockmusik und Jazz stand. Als ich mit 16 in einer Punkrockband spielte, haben die mich gehaßt. Als Punk mich langweilte, habe ich mit Dancemusic angefangen – nun haßten mich die Punkrocker. Als ich begann, eher Pop als Dance zu machen, haßten mich die Dance-Leute. Inzwischen gehe ich schon grundsätzlich davon aus, daß sich, was immer ich auch tue, jemand finden wird, der mich dafür haßt. Es gibt Journalisten, die schreiben kein Wort über meine Musik, sondern nur, wie sehr sie mich hassen. Das ist empörend – das sind Menschen, die mich nie getroffen haben. Man sollte sich um so was nicht kümmern, aber es ist schon seltsam, daß Menschen einen so hassen. Es gibt Leute, die wirklich gut darin sind, nicht gehaßt zu werden, die das irgendwie raus haben. Thom Yorke zum Beispiel: Niemand haßt Thom Yorke. Ein Teil von mir würde gerne herausfinden, wie der das macht.

5 Haben Sie jemals jemanden geküßt, wahrend einer Ihrer Songs lief? Und: Wie war es?

Ja. Und ich fühlte mich sehr unbehaglich. Aus drei Gründen: Erstens war ich gehemmt, weil es meine eigene Musik war. Zweitens konnte ich mich nicht aufs Küssen konzentrieren, weil ich der Musik zuhörte. Und drittens habe ich der Musik zugehört und mich gefragt, was ich hätte besser machen können. Denn jedesmal, wenn ich meine Musik höre, würde ich am liebsten noch mal dran arbeiten.

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