Deichkind :: Arbeit nervt

Techno-Rap, Satire, Selbstironie: jetzt mit Ferris, dem feschen Goldlöckchen.

„Arbeit nervt!“, sagen sie. Als ebenso populistisches wie klassenverbindendes Statement – eine Art Prollvariante des tocotronischen Gedankenkonstrukts von der Kapitulation – der Verweigerung gesellschaftlicher Erwartungen und Zwänge, der Freiheit des Nichtfunktionierenmüssens. Und das klappt am besten unter Zuhilfenahme von Alkohol – ein Betäubungsmittel, das auch keine Klassengrenzen kennt. Im Suff sind alle Menschen gleich. Und die Tracks auf dem vierten Deichkind-Album schwitzen aus jeder Pore den Dunst von Alkohol aus, wenn denn Tracks auf vierten Deichkind-Alben Poren hätten. Die Hamburger führen die TechRapisierung ihres Sounds, die sie mit dem 2006er aufstand im Schlaraffenland begonnen haben, auf arbeit nervt! zur Vollendung. Das ist TechRap, der auch damals mehr Techno war als Rap. Philipp Grütenngs fiese Beats, die mit noch fieseren Acid-Lines konkurrieren, und dazu dieser leicht paranoide Sprechgesang, was in der Summe eine latent aggressive Stimmung erzeugt. Nach dem Weggang von MC und Beatmacher Buddy Inflagranti ist Ferris MC festes Mitglied bei Deichkind. Er fügt sich gruppendienlich ein, ohne negativ aufzufallen, was ja auch schon eine Leistung ist. Unter der Oberfläche der vordergründigen Spaßund Partymusik tut sich so einiges. „Gut dabei“ kreist um den Beat aus Gary Glitters „Rock And Roll Part 2“. Der technoide Titeltrack wird von einem großen, pathetischen Styx-Power-Rock-Moment zäsiert (danke, ogö). Und „Luftbahn“ ist eine Art Electrolore, die auch in der Großraum-Disco funktionieren dürfte. Man könnte Deichkind mit arbeit nervt! in die Nähe des Electro-Rock rücken, wenn dessen Exponenten nicht so humorlos wären. Humor ohne Ha-ha-Lustigkeit, Satire aus Selbstironie zu schaffen, das sind vielleicht die höchsten Trümpfe, die Deichkind in den Ärmeln ihrer Müllsäcke stecken haben. VÖ: 17.1O. >» www.deichkind.de >» STORY S. 56