Chicks On Speed

HEARTOPIA

Grönland Records (VÖ: 10.17.)

Electroclash: Von elektronischem Lustgewinn, Shopping, kalten, klaren Linien, Subversion und großen Coversongs.

„We shop more than other people / We don’t play guitars“. Als ob der Rock’n’Roll den Kapitalismus hätte abschaffen können. Konnte er nie. Das Bekenntnis der Chicks On Speed zum Kaufrausch ist aber auch in einem dadaistisch-politischen Kontext zu lesen, der Track kommt als Techno-Rock-Bumms mit Rap-Parolen aus der Kunsthochschule gepoltert, er nordet die Musik des Münchner Trios auf dieser 5-LP-Zusammenstellung ganz gut ein. Eleganz und Klarheit mischten sich in der Musik der beiden Kunststudentinnen Alex Murray-Leslie (gebürtige Australierin) und Melissa Logan (Amerikanerin), in den Anfangsjahren begleitet von der Stylistin Kiki Moorse, mit transformativem Spektakel, Kommerzkritik, Subversion und lautmalenden Ironisierungen.

Mit transformativem Spektakel, Kommerzkritik, Subversion und lautmalenden Ironisierungen

Ihre Coverversionen und Kooperationen besaßen den Furor von Gamechangern, machten international Furore. Die Chicks-On-Speed-Version vom Malaria!-Klassiker „Kaltes klares Wasser“ steht immer noch ganz vorne, sie ist selbst zum Klassiker geworden. Das gilt auch für „Warm Leatherette“ (Daniel-Miller-Cover, auch aus dem Jahr 2000). Mit den wild durcheinander geworfenen 41 Tracks aus 28 Jahren ist das so eine Sache (man möchte immer wiederskippen). Dass in dieses Programm auch noch neue Songs (das komplette Album HEARANDNOW TOPIA) aus diesem Jahr geworfen wurden, mag dem Faible fürs Chaos frönen, zerfetzt das Boxset aber arg.

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Welch’ einen elektronischen Lustgewinn Tracks wie „Yes I Do“ (feat. Die Goldenen Zitronen, 2001) und „Madalyn Albright’s Answer“ (2004) dem Pop doch verleihen konnten, verglichen mit Neulingen wie „Tension“ oder „Deep Dark Ocean“, die als etwas schwülstige Echos der gehirnzertrommelnden Superperformancedesignsongs der Jahrtausendwende anklingen. Und überhaupt: Warum hat hier niemand an das „Mind Your Own Business“-Cover von Delta 5 gedacht?

Diese Review erschien zuerst im Musikexpress 11/2025.