Tinder setzt jetzt auf KI – und riskiert dafür einiges
Damit notorische Singles auf Tinder mehr Chancen für ein Date bekommen, greift die App tief in die KI-Trickkiste.
Tinder war einmal ein Synonym für schnelle Matches. Innerhalb weniger Jahre revolutionierte es das Liebesleben geschlechtsreifer Großstädter beträchtlich. Mit positiven und negativen Folgen. Doch nun kämpft man gegen sinkende Abo-Zahlen und testet eine radikale KI-Funktion, die persönliche Fotos durchleuchtet, um Nutzer noch besser „kennenzulernen“.
Die Match Group, Betreiber der weltweit populären App, gab am Dienstag (05. November) bei der Vorlage der Quartalszahlen bekannt, dass Tinder derzeit die Funktion „Chemistry“ ausprobiert. Sie soll Nutzer durch interaktive Fragen begleiten und – mit deren Zustimmung – auf Fotos in der Kamerarolle zugreifen, um Hobbys, Interessen und Persönlichkeit sichtbar zu machen.
Ziel ist, passendere Partner vorschlagen zu können. Vom Tinder-Dating frustrierte Nutzer kehren nämlich oft nicht zurück oder haben keine Lust auf die Bezahlversion.
In Neuseeland und Australien läuft der KI-Test bereits. Spencer Rascoff, CEO der Match Group, kündigte an, dass „Chemistry“ eine zentrale Säule der Tinder-Erfahrung im kommenden Jahr werden soll.
Tinder will es besser machen als Facebook
Ähnliche Experimente kennt man bereits von anderen Tech-Konzernen: Meta etwa fragt Facebook-User jüngst um Erlaubnis, private Fotos für KI-basierte Bearbeitungsvorschläge auszuwerten. Bei beiden Anbietern sind die direkten Vorteile für die Nutzer aber eher begrenzt. Bei Tinder soll die KI zum Beispiel erkennen, dass Nutzer, die Fotos beim Wandern oder Klettern posten, möglicherweise besser zu Gleichgesinnten passen.
Doch die KI soll auch auf einem anderen Gebiet das Tindern „angenehmer“ machen. Ein LLM-basiertes System warnt Nutzer vor potenziell beleidigenden Nachrichten und hilft bei der Auswahl der besten Profilbilder. Weitere Features sind Dating-Modi, Doppeldates, Gesichtsverifizierung und überarbeitete Profile, die Biografieinformationen prominent ins Fotokarussell einbinden.
Ob all das etwas bringt, bleibt abzuwarten, denn junge Menschen wenden sich zunehmend von Online-Dating ab, suchen wieder reale Begegnungen. Die allgemein gestiegenen Lebenserhaltungskosten sind ebenfalls ein Faktor. Im dritten Quartal sanken die zahlenden Nutzer um sieben Prozent, die Einnahmen gingen im Jahresvergleich um drei Prozent zurück.
Tinder steht nun vor einer Gratwanderung: Kann KI das Flirt-Imperium wiederbeleben oder wenden sich die Nutzer gerade wegen der Auswüchse künstlicher Intelligenz noch mehr ab?



