Die Ärzte


Geheimsache: Diese 7"-EP mit neun (!) Songs, darunter eine neu eingespielte Version des Ärzte-Klassikers 'Paul', ist nicht im Laden erhältlich. Für alle, die keine Tickets für die Clubtour ergattern konnten, verlost ME/Sounds w der raren Scheiben. Kennwort: „Bullenstaat". Einsendungen bis zum 14. Juni an die Redaktion.

Die Ärzte gehen erst im Oktober auf Tour“, so der knappe Kommentar der Plattenfirma der Berliner Doktoren Ende März. Falsch. Bela B., Farin Urlaub und Rodrigo Gonzales tauchen bereits im April zwölfmal unangemeldet in den kleinsten Clubs der Republik auf. Eine ultrageheime Geheimtour quasi. So geheim, daß selbst die Teenie-Gazetten, ansonsten ja bestens informierte Hofberichterstatter der drei FunPunker, im Dunkeln tappen. Wer, wie etwa Viva, Wind von der Sache bekam, wurde vom Tourleiter mit strengem Filmverbot belegt. Keine Presse, keine Fotos, kein Fernsehen. Und kaum Teenies. Dank der restriktiven Informationspolitik finden sich zu den Gigs fast ausschließlich Fans ein, die die Ärzte nicht erste seit ‚Schrei nach Liebe‘ kennen. Doch vor den Zugang zu den Konzerten hatte das Management zwei grimmige Security-Leute gestellt. Der Versuch, einen Recorder oder gar einen Fotoapparat einzuschleusen, wäre wahrscheinlich mit sofortigem Hausverbot oder einer Tracht Prügel geahndet worden. Ganz offensichtlich hatte man es hier mit Superstars zu tun.

Der Auftritt selbst ist denn weit weniger ernst als das Aufheben, das um ihn gemacht wurde. Die Ärzte, schwer gezeichnet von einer Party am Vortag, poltern los, als seien sie in ihrem Übungskeller. Für jeden zweiten Song benötigt das Trio Infernal mehrere Anläufe, weil wahlweise Farin (ungewohnterweise mit stecknadelgroßen, rotgeränderten Augen) den Text vergessen hat, Bela das Intro verpaßt, oder der erschreckend stark restalkoholisierte Rod von der Bühne zu kippen droht. Den Fans isfs recht. Klassiker wie ‚Gwendoline‘, ‚Wie am ersten Tag‘ oder ‚2000 Mädchen‘ werden ebenso begeistert gefeiert wie Uralt-Nummern (‚Vollmilch‘, ‚Zu spät‘) und Songs aus dem letzten Album ‚Die Bestie in Menschengestalt‘ (‚Schrei nach Liebe‘, ‚Friedenspanzer‘, ‚Quark‘). Für gehörige Überraschungen sorgen die Hit-Chirurgen mit diversen neuen Songs, die schon mal für die große Herbst-Tournee im Oktober getestet werden. Zuvor – geplant ist Mitte September – soll noch das neue Werk der drei charmanten Chaoten erscheinen. Und das dürfte im Vergleich zum Vorgänger deutlich deftiger ausfallen. Nimmt man nämlich die EP ‚1,2,3,4, – Bullenstaat‘ als derzeit geltenden Maßstab, haben die Ärzte offensichtlich ihre Liebe zum harten Deutsch-Punk der alten Schule entdeckt.