Oasis


Blur und Oasis sind die Beatles und die Stones der Neunziger“, titelte die hypende Briten-Presse unlängst, ohne zu bedenken, daß die Ikonen der Sechziger auch über Englands Grenzen hinaus erfolgreich waren. In Hamburg, wo sich Lennon & Co. einst erste Sporen verdienten, gab man sich dementsprechend gelassen angesichts der auf der Insel herrschenden Hysterie. Erst vor wenigen Wochen war man ins weniger geschichtsträchtige ‚Docks‘ gepilgert, wo die „neuen Beatles“ Blur einen akzeptablen Gig gaben, und logischerweise betrachtete man den Auftritt von Oasis in der ‚Freiheit‘ als Pflichttermin. Die ehrwürdige Halle war ausverkauft und gefüllt mit T-Shirt-tragenden Teenies, die ihre Haare im Neo-Pilzkopf-Design trugen – von Hysterie und kreischenden Mädchen war jedoch keine Spur. Erwartungsvolt erduldete man die viel zu verkrampften Dostoyevskys, deren Sänger sich nach einer guten halben Stunde Publikums-Lethargie beinahe noch für die Anwesenheit seiner Band entschuldigte und letztlich dann doch den ersten Applaus des Abends erntete, als er die Bühne verließ. Eine weitere halbe Stunde später präsentierten sich die Gallagher-Brüder Liam und Noel, als sie gelangweilt die Bühne betraten und ohne viel Gerede in ihren Set starteten, was beim Publikum nur gedämpfte Begeisterung hervorrief. Vielen war wohl noch Oasis‘ letzte Show in Hamburg im Gedächtnis, die nach 50 Minuten schlechten Sounds und quälender Langeweile einen bitteren Nachgeschmack hinterlassen hatte. Zumindest was den Sound betraf, zeigte sich die Band heute von ihrer Schokoladenseite. Von allen Studio-Schnörkeln befreit, kamen die von Noel Gallagher geschriebenen Song-Juwelen besser denn je zur Geltung und machten deutlich, daß er die zentrale Figur der Band ist und bleibt. So standen die Melodien im Vordergrund, während sich die Band in schnödem Handwerk, und Liam Gallagher in starrer Bewegungslosigkeit übte. Nach einer Dreiviertelstunde und routiniert heruntergespielten Songs aus den bisherigen zwei Alben, schlurfte die offenbar bis obenhin zugekiffte Band erstmals von der Bühne. Das Publikum, gerade erwärmt, quittierte dies mit stummer Verständnislosigkeit. Wo im heimischen England wahrscheinlich ein Pfeif- und Stampf-Konzert erster Güte eingesetzt hätte, bekundeten die Hamburger ihren Unmut durch recht schnell verebbenden Applaus und das Fehlen jeglicher Zugabenrufe. Als man dachte, das Konzert wäre nun vorbei, schlenderte plötzlich Liam auf die Bühne, bedankte sich blödsinnigerweise und schickte sich dann an, einige Akustik-Versionen als Zugabe zu spielen. Immerhin durchbrach er damit endlich die bis dahin nervende Distanz zwischen Musikern und Publikum. Nach ‚Live Forever‘ und einem wunderschön intensiven ‚Morning Glory‘ hatte sich ein Vibe aufgebaut, der ahnen ließ, warum diese Band über eine derartige Sogkraft verfügt. Zum furiosen Ende kam die gesamte Band zurück und gab die obligatorische Cover-Version zum Besten, eine elektrisierende Variante von ‚I Am The Walrus‘, die nach über zehn Minuten damit endete, daß ein reichlich neben sich stehender Liam Gallagher sekundenlang vornübergebeugt auf das Publikum starrte, als könne er einfach nicht verstehen, daß man sich außerhalb des vereinigten Königreichs Mühe geben muß, um mit Hysterie belohnt zu werden. Vielleicht haben Oasis an diesem Abend kapiert, daß mehr dazu gehört als nur eine arrogante Leckt-mich-am-Arsch-Attitüde, um es mit Giganten wie den Beatles und den Stones aufzunehmen. Eine einzige Ohnmächtige gab es dann doch noch, aber das arme Mädchen fiel wohl eher der Lautstärke und der Hitze zum Opfer als dem Charme eines Liam Gallagher.