Adam & The Ants – Invasion der Ameisen


Jahrelang wühlte er sich mißverstanden durch die Szene, heute behauptet er, er könne jede Titelseite im UK bekommen, die er nur will. Adam Ant, der sich vor gut einem Jahr vier neue Musiker suchen mußte, weil ihn die Ur-Ants sitzenließen, erkannte die Stunde für Antmusic und Antpeople. Als neue Heldenfigur im Fantasiekostüm setzt er auf seine Methode, den Kids einen neuen Optimismus zu vermitteln. Die wiederum danken es ihm in Scharen. Die Invasion der Ameisen ist vollkommen!

In Großbritannien blüht derzeit das, was man im allgemeinen als Eskapismus bezeichnet. Was daß um Himmelswillen nun wieder bedeutet? Wirklichkeitsflucht, nicht mehr und nicht weniger! Vertreter des new puritanism wie Mark Smith von The Fall, beharren darauf, daß gerade in schlechten Zeiten das Gehirn der Leute angeregt werden müsse. Aber die Eskapisten, zu denen wohl in erster Linie die beneidenswert gestylten Exoten aus dem weiteren Visage-Dunstkreis zu rechnen sind, leben eher nach der Methode: „Amüsier dich, bis die Bombe fällt“ und „Sei hübsch, wenn sie lallt.“

Auf einen neuen Optimismus will jedenfalls auch Adam Ant hinaus. Nachdem die Kids auf der Straße jahrelang nichts anderes mehr gehört harten, als daß sie der letzte Dreck seien, Müll; keine Zukunft mehr hätten, daß Punks und Teds sich gegenseitig krankenhausreif schlagen und daß sie vom Leben eh nichts zu erwarten hatten, dreht er jetzt den Spieß um. Er versammelt Punks, Mohikaner, Mods, Rockabillies und was es sonst noch alles gibt auf Londons Straßen bei seinen Konzerten. Für die Eskalation der Frontenkriege macht er einzig und allein die Medien verantwortlich. Natürlich macht er es sich da ein wenig zu einfach, aber auf jeden Fall hat er mit seinem Ant-Konzept zur Zeit einen Mordserfolg.

Die Invasion der Ameisen hatte dabei eher dürftig begonnen. Adam And The Ants, Vol. I, krabbelten zu Zeiten der Punk-Ära als mißverstandene Kultband durch die Szene. Kunststudent Adam, der übrigens in Derek Jarmans hevorragender Film-Utopie „Jubilee“ mitgewirkt hatte, verfing sich irgendwo im Gewirr zwischen Sado-Maso-Trip und den Vorwürfen, die man ihm wegen angeblicher faschistoider Tendenzen machte. Als im vergangenen Jahr dann Malcolm McLaren in das Leben der Ants trat, kam es zum heilsamen Split: Matthew Asman (g), Lee Gorman (bg) und Dave Barbe (dr) setzten sich ab, um sich wenig später in Gesellschaft der stimmgewaltigen 14jähngen Annabella wiederzufinden, aber das ist dann schon die Geschichte von Bow Wow Wow.

Adam tat sich mit seinem alten Freund Marco Pirroni zusammen, einem Gitarristen, der schon beim legendären 100 Club Festival mit Siouxsie & The Banshees aufgetreten war. Gemeinsam konzipieren sie die Ant-Music, und während Adam die Texte ausarbeitet, profiliert Marco sich im Studio. Baß spielt der 19jahrige Kevin Mooney, und die perkussive Soundbasis liefern die beiden Drummer Terry Lee Miall und Mernck. Adam hatte sich bereits ziemlich lange mit /ribul sounds beschäftigt, ehe es zum Split mit seiner ersten Band kam. Das, was bei Bow Wow Wow jetzt so spektakulär und neu wirkt, ist wohlgemerkt nicht die Erfindung von Malcolm McLaren.

Mit der LP KINGS OF THE WILD FRONTIER (vergl ME 2 82) rannten Adam & The Ants offene Türen ein. Ihre heroischen Songs über Piraten und edle Krieger, Slogans wie Ant-Music ior sexpeople sexmusic lor antpeople, ihre eingängigen, kommerziellen Melodien und natürlich nicht zuletzt ihre attraktiv-vewegene Kleidung mobilisierte ein überwiegend junges Publikum, das sich ausgehungert auf die schöne Illusion stürzte.

Für Adam ist sein Hang zum heroischen Trivialopus nichts Ehrenrühriges. In seinen Songs lebt er das aus, was früher jeden Halbwüchsigen bewegte, als er Karl May las oder Abenteuer-Geschichten. Adam schwärmt für den edlen Helden, den Krieger, der keine niedrigen Regungen kennt, den gerechten Anführer Häuptling. Er liebt die Erzählungen über historische Heidenfiguren, die stolze unabhängige Mentalität der Indianer, wie man sie aus Büchern kennt. Mit Hilfe einer attraktiven Kriegsbemalung verleiht er seinem weichen Gesicht einen markanten, wilden Ausdruck. Ist es da ein Wunder, daß halb London plötzlich von Piraten übervölkert ist?

Die Puritaner betrachten das Treiben der Dandies und der Piraten mit Verachtung. Für die musikalischen Ambitionen der Dandies hat Adam allerdings auch nicht viel übrig, ihre unkommunikative Spielerei am Synthi geht ihm gegen den Strich, er will Leben auf der Bühne und im Publikum. Aber die Idee des Depressiven, die Idee, andere zu entmutigen, bereitet ihm Unbehagen. „Dieses neue Puritanertum ist beängstigend. Ich weiß, was es bedeutet, sich so zu fühlen. Es kann dich umbringen.“

Die Dosis Unternehmungsgeist, die er sich und seinem Publikum dagegen verordnete, wirkte umgehend. In England erreichte nicht nur das neue Album Nummer 1, auch die erste Ants-LP kam in die Top 30 und darüber hinaus tummeln sich alle fünf Singles, die es von Adam gibt, in den Top 100. „Ich versuche, eine völlig neue Kollektion von Richtlinien und Ideen zu entwickeln, Strukturen, die die britische Musikindustrie bis jetzt jedenfalls im Sturm genommen haben,“ analysiert Adam. „Das muß etwas zu bedeuten haben. Viele Gruppen haben Alben in den Charts, aber deshalb werden ihre früheren Platten nicht unbedingt gekauft. Ich habe mich nie an anderen gemessen, ich stand immer irgendwo im Abseits, aber meine Musik besitzt eine gewisse Exklusivität, die sie von anderen unterscheidet. Jeder, der auf diese Platte abfährt, will alles kennen, was vorher herauskam, um die Entwicklung nachzuvollziehen.“ le länger man mit Adam über dieses Phänomen spricht, desto ehrlicher läßt er durchblicken, daß ihn diese Tatsache doch erheblich beschäftigt. „Wenn die Leute innerhalb von zwei Wochen alle deine alten Platten kaufen, wenn du den erfolgreichen Teil deiner Karriere schon erreicht hast, dann ist das für dich als Künstler ein wahnsinniges Kompliment. Denn sie gehen damit ja immerhin das Risiko ein, daß die anderen Sachen nicht halb so gut sind…“

Natürlich macht ihn seine Situation besonders stolz, da „es heute doch ganz einfach ist, nach oben zu kommen, ohne eine einzige Note live zu spielen.“ Er fühlt sich dem Publikum gegenüber verpflichtet. Er will, daß die Musiker sich auf der Bühne beweisen. Und er hat Angst vor der Seßhaftigkeit. „Killer In The Home“ handelt davon. „Das Zuhause kann zum Killer werden,“ erklärt er, „es ist das Ende der Straße, das Ende der Herausforderung. Für mich jedenfalls, weil ich derjenige bin, der mit Marco zusammen die Songs schreibt. Eine Menge davon steckt auch in den Indianer-Songs. Als ich mich mit den Indianern beschäftigt habe, hatte ich oft das Bedürfnis, irgendwo in Utah draußen auf einem Berg zu sitzen; eine andere Seite des Lebens kennenzulernen, einfach meine Sachen in den Beutel zu packen und umherzuziehen…“

Teilt die komplette Band diese Mentalität? „Wir sind alle grundverschieden. Aber unsere Ideen treffen sich alle in einem Punkt wieder: dressing up and looking good, feeling good and entertaininq.“

Bis Adam And The Ants ihre kurzfristig abgesagten Februar-Gigs nachholen, haben wir sicher Zeit, darüber nachzugrübeln, wer uns bis zur Stunde Null besser über die Runden hilft. Die Puritaner oder die Eskapisten? Oder beide?