AI Corley


AI Corley in Fleisch und Blut gegenüberzustehen ist erst mal ein gelinder Schock. Er ist ein ganzes Ende größer als der Mann, den wir, auf den Bildschirm reduziert, als Mitglied der Denver-Lieblinge kennen. Das erste, was mir durch den Kopf schießt: Was macht ein Carrington bloß mit einem „New Wave‘-Haarschnitt??

Tja, AI Corley – groß, herbhübsch, athletisch und, anders als sein Bildschirm-Doppel, nicht bisexuell (soweit man das als Mann beurteilen kann) – hat eine Pop-Platte in die Welt gesetzt.

Natürlich fühlt sich jeder Serien-Star verpflichtet, irgendwann eine Platte zu machen, aber Corley hat da schon mehr Berechtigung als die meisten anderen: Er schreibt seit über einem Jahrzehnt Songs und war die letzten drei Jahre mit Carly Simon liiert. Durch sie lernte er Musiker aus dem Grenzbereich zwischen Pop, Folk und Jazz kennen, die maßgeblichen Anteil daran hatten, daß er sich schließlich aufraffte, seine Songs in Vinyl zu verewigen.

AI ist wesentlich hipper, als man erwarten darf, stellt Fragen wie: ,. Was hältst du vom neuen Art Of Noise-Video?“ und beschloß, seine Platte in München aufzunehmen, weil er sich von der Fusion europäischer und amerikanischer Pop-Elemente einen positiven Effekt auf sein Songmaterial versprach. Er brachte Schlagzeuger Ricky Marotta mit, den er als „die Seele der Session“ beschreibt, „ein Musiker, der echt was drauf hat“. Tom Scott kam nach, um bei drei Nummern Sax zu spielen, ansonsten aber war die Besetzung europäisch; eine tragende Rolle spielte Produzent/Arrangeur/Synthesizer-Spieler Harald Faltermeier.

Faltermeier schrieb auch ein paar Nummern mit, ansonsten betätigten sich in dieser Hinsicht Pete Wood (ein Keyboarder, der neulich mit Lou Reed auf Tour war), Jacob Brackman (der bekannte Lyriker und Drehbuch-Autor) und Carly Simon selbst. Man sieht, AI befand sich durchaus in respektabler Gesellschaft.

Aber keiner dieser Namen läßt Schlüsse darauf zu. wie die Musik wirklich klingt. „Square Rooms“ so heißt beides, Album und Singlekönnte als Technopop abgetan werden, wären da nicht die rauhen Gitarren („Ich hab‘ Hamid immer gesagt: ,Laß die Gitarren billig klingen!“) und Marottas Druck und Drive.

Am Ende war das Resultat jedenfalls so, wie es sich Corley vorgestellt hatte:“.Schau, ich steh drauf, wenn Gitarren. Schlagzeug und Gesang .echt‘ klingen, aber ich mag auch die ganze neue Technologie; und die Kombination von beidem interessiert mich am meisten.“

Bleibt die vermeintlich unvermeidliche Frage, warum Corley den Denver-Clan verlassen hat. „Ja, es fällt den Leuten schwer, das zu verstehen, besonders bei der Arbeitslosigkeit heute: .Wie kann jemand das Angebot ausschlagen, mit fünf Monaten Arbeit im Jahr eine halbe Million Dollar zu verdienen?‘ Natürlich war ich in Versuchung, ich konnte schon sehen, wie ich in die übliche Rolle hineinrutsche ein Haufen Porsches, in jedem Land eine Villa… aber am Ende hätte ich mich gehaßt und auch das Business gehaßt.

Ich bin an Langlebigkeit interessiert. Das ist ein langes Leben, was wir da bekommen haben. Ich will meins so kreativ wie möglich nutzen.

Übrigens, was hältst du von den Eurythmics???“