Aimee Mann


WIE POPSTARS SEHEN SIE WIRKLICH nicht aus, die zwei da oben auf der Bühne. Sie, schüchtern lächelnd, das hübsche Gesicht von blonden Haarfransen bedeckt; er, beide Hände hinterm Rücken, den Blick schnurstracks nach vorne gerichtet, auf einen unsichtbaren Punkt an der Saalwand. Kein Grinsen, keine Posen, keine flotten Sprüche. Die Mann und ihr Mann, Michael Penn, sehen aus wie zwei Auftragsmusiker, die artig auf den Star des Abends warten. Ein Popkonzert will das Duo auch nicht bieten, sondern ein „Acoustic Vaudeville“, ein akustisches Varietee, wie das Plakat am Eingang verkündet. Nichts anderes erwarten die Fans im Publikum, die den Ablauf der Show bestens kennen. Noch vor einem Jahr spielte das Ehepaar allwöchentlich in einer kleinen Bar in Hollywood vor einer genauso kleinen wie treuen Gefolgschaft. Bevor der „Magnolia“-Soundtrack die ehemalige Frontfrau der 8oer Band ‚Til Tuesday in heisse Hollywood-Ware verwandelte. Wie damals gibt auch heute ein Stand-up Komiker den Support für die beiden Popdissidenten, deren Stärke nicht auf der Performanceseite liegt. Ein Schaukeln mit der Akustischen ist für Aimee das Höchste der Gefühle, ein Fussstampfen steht für Michael Penn an oberster Stelle auf seiner Überschwenglichkeitsskala. Zum Glück kehrt der Kaspermann in den Pausen zwischen den Balladen zurück, um die Atmosphäre aufzulockern. So bleibt dem Publikum ein Absturz in tiefe Melancholie erspart. Nun aber croonen sie, nicht im Duett als Wiederauferstehung von Sonny Bono und Cher, sondern solo mit der Background-Unterstützung des jeweils anderen beim Refrain. Ihre Stücke sind unterschiedlich aber dennoch extrem kompatibel und fast durchweg Balladen. Von Aimees neuem Album „Bachelor No. 2“, sowie früheren Veröffentlichungen kommen „Ghost World“, „Red Vines“, „Choice In The Matter“, „Me Around“ und „How Am I Different“. Auch der „Magno-Iia“-Hit „Wise Up“ findet seinen Platz im Set, gefolgt vom sparsam arrangierten „Save Me“, das, wie fast alle Popjuwelen von Aimee Mann, milde Melodien an kernigen Lyrics reibt. Eine Welt tut sich auf, eine Welt, in der es plötzlich verständlich wird, wie Regisseur Paul T. Anderson in Aimees einfachen Songstrukturen die Vision für das vielschichtige Oeuvre „Magnolia“ fand. Ohne die magischen Momente des Abends zu zerschmettern, bringt Michael Penn mit einigen Midtempo-Nummern etwas Schwung in den Set. „High Time“ von seiner jüngsten Veröffentlichung „MP4“, das pointierte „Me Around“, das sanft-resignierte „Out Of My Hands“. „Dieser Saal ist eine großartige Location. Ich habe aber nicht das Gefühl, dass wir diesen Platz auch verdienen“, tiefstapelt Aimee Mann in einer ihrer seltenen Reden. Ausgerechnet sie, die bei der diesjährigen Oscar-Verleihung vor einigen Millionen TV-Zuschauern auftrat, fühlt sich in einem alten Theater geehrt. Würde man sie nicht kennen, die jahrelang eher unpopuläre Popmusikerin, die glückliche Ehefrau, die in ihren Songs regelmäßig Liebeskummer erleidet, dann könnte man ihren Spruch für blanken Zynismus halten. Die Anwesenden schmunzeln aber und freuen sich bereits auf das nächste Stück.