Album-Artworks unter der Lupe. Diesmal: Cassadaga von Bright Eyes


Beider Anmerkung, das (mit dem unbewaffneten Auge sichtbare) Artwork von Cassadaga habe eine gewisse „Camel-Filters“-Anmutung, verzieht Conor Oberst das Gesicht. „Ich weiß. Das ist mir erst aufgefallen, als es fertig war.“ Wie fast alle Bright-Eyes-Artworks ist auch dieses eine Zusammenarbeit von Oberst mit seinem Freund Zack Nipper. Conor: „Das geht üblicherweise mit einer Idee von mir los, die ich ihm schildere, und er macht dann etwas hundertmal Tolleres daraus.“

Pyramiden mit ihrer archaisch-mystischen Aura haben eine Tradition als bedeutungsschwere Visuals auf Rockplatten. Conor Oberst hat sich bei der Arbeit an Cassadaca viel mit Übernatürlichem beschäftigt, das Bild der Pyramiden-die auch in den Texten auftauchen, im „Cleanse Song“ etwa singt Oberst von den „new pyramids down in old Manhattan“ – steht für ihn aber weniger für Esoterisch-Mystisches, vielmehr als Anlass, über Vergänglichkeit und Zivilisation nachzudenken. „Die Pyramiden sind ein Zeugnis für die Genialität, den Triumph der menschlichen Rasse, solche enormen Gebäude errichten zu ‚ können, die viel gigantischer sind als irgendetwas, was irgendwelche anderen Kreaturen errichtet haben. Und gleichzeitig sind sie… irgendwie völlig irrelevant Diese riesigen Dinger, die in der Wüste rumstehen. Ich glaube, vieles, was wir als moderne Zivilisation errichten, wird irgendwann genauso enden.“

Der „Spectral Decoder“, ein Stück geriffeltes, transparentes Plastik, das dem Album beigelegt ist. ist der Schlüssel zum eigentlichen Artwork von cassadaca: Schiebt man den Dekoder über die grauweißen Flächen, die aussehen wie Fernsehbildausfall, erkennt man versteckte Bilder und Botschaften. „Ursprünglich war die Idee, ein Cover mit dieser „Magic Eye“-Techmk zu machen.“ Die „Magic Eye“-Bilder, bei denen man auf eine strukturierte bunte Fläche starren muss, bis sich dem ermatteten Auge eine 3D-Abbildung eröffnet, waren ein Riesending in den goern, erwiesen sich aber als ungeeignet für das Artwork. Conor: „Dann hat Zack diese Firma aufgetrieben, die Bilder kodiert und dir ein Stück Plastik liefert, mit dem du sie ‚dekodieren‘ kannst.“ D-Images Ltd. in London hält das Patent (Nr. 2315240) am so genannten „Focal Decoder“. „Sie hatten das noch nie für ein Album gemacht und fanden das cool.“

Über die Bedeutung der Motive, die man durch den Dekoderer kennt, hält sich Oberst bedeckt. Da sind Sätze und Phrasen („Rocks beneath the water“, „Est-ce minuit ou midi?“) und seltsame Piktogramme. Die Person im Kochtopf links oben? „Hexen, die Kinder kochen für ihre Zauberformeln.“ Oh. Und die geflügelte Sanduhr? „Die Zelt mit Engelsflügeln. Ein sehr schönes Bild.“ Zwischen den Palmen wird eine Schlange sichtbar. „Das ist das Böse.“ Die Schlange ist in Stücke gehackt. Wird das Gute siegen? „Viele der Bilder fand Zack in pseudowissenschaftlichen Büchern aus derzeit der Jahrhundertwende. Die Idee für das Design des Dekoders kommt auch aus dieser Ästhetik – so eine Art viktohanische Version des Agentenspielzeugs, das wir als Kinder hatten.“

„For Sabrina“, lautet die Widmung auf einem Blatt in der Innenseite des Artworks; mit dem Dekoder erkennt man eine sommerliche Szene, Häuser, Bäume und Buden unter strahlender Sonne. „Da ist der Pier in Santa Cruz in Kalifornien“, erklärt Oberst. „Die Seite ist einer Freundin von mir gewidmet. Sie ist… nicht mehr unter uns. Eine meiner liebsten Erinnerungen an sie ist ein Tag, den wir zusammen in Santa Cruz am Board walk verbracht haben. Sie hat Harfe gespielt in der Band. Eine gute Freundin.“ Sabrina Duim starb Anfang 2007 bei einem Unfall.

Auf der CD-Rückseite zeigt der Dekoder eine körperlose Hand, die ein Blatt mit fremdartigen Schriftzeichen hält, auf dem ein Federkiel tanzt. Oberst: „Eine Facette des Spiritualismus ist dieses so genannte „automatische“ Schreiben – sie lassen die Geister, mit denen sie in Kontakt sind, durch ihre Hände fließen und sie lenken, lassen die Geister Dinge schreiben und zeichnen, die dann interpretiert werden.“