Album-Artworks unter der Lupe. Diesmal: Zeitgeist von den Smashing Pumpkins.


Das Artwork stammt von dem amerikanischen Illustrator und Grafikdesigner Shepard Fairey, 37. Fairey ist ebenso beeinflusst von der Punk- und Graffiti-Kultur wie von Pop-Artisten wie Warhol und Ron English. In seinen mitunter an die Ästhetik von Sowjet-Propaganda erinnernden Arbeiten beschäftigt sich Fairey gern mit Massen- und Medienpsychologie. Für sein immer noch laufendes Street-Art-Projekt und „Experiment in Phänomenologie“ (Eigenaussage) „Obey Giant“ klebte er in den letzten 15 Jahren weltweit mehr als 400.000 Poster mit kryptisch orwellianischen Motiven und Botschaften in den öffentlichen Raum. Bekannte Auftragsarbeiten im Popbereich sind die Cover der letzten beiden Black-Eyed-Peas-Alben sowie das Plakat des Johnny-Cash-Films „Walk The Line“.

Für den „Smashing Pumpkins„-Schriftzug, freute sich Billy Corgan, habe Shepard Fairey quasi instinktiv und ohne von dieser Single zu wissen, die gleiche Schriftart verwendet, in der der Bandname auf der allerersten Pumpkins-Single „I Am One“ gedruckt stand. Da würde sich in der Tat hübsch ein Kreis schließen, es stimmt nur nicht ganz. Erstens meint Corgan wohl nicht „I Am One“ (die einen gänzlich anderen Font verwendet), sondern die zweite Single „Tristessa“ (1990). Und auch deren Schrifttyp ähnelt bestenfalls dem auf Zeitgeist.

Die Freiheitsstatue, ultimatives Symbol für die hehren Ideale der Vereinigten Staaten, in apokalyptischem Kontext: Dieses Bild ist dem geneigten Science-Fiction-Connaisseur lange geläufig. Hauptreferenz ist natürlich das beklemmende Schlussbild von Franklin J.Schaffners „Planet der Affen“ von 1968, als Charlton Heston die im Sand verschüttete Lady Liberty findet, als letzten Überrest der ausgelöschten menschlichen Zivilisation. Ein jüngeres Beispiel sind Plakatmotive zu Roland Emmerichs Klimakatastrophen-Schocker „The Day After Tomorrow“. Das nahe liegende- und fest im Zeitgeist der spaten Nullerjahre verankerte-Thema Klimaerwärmung hatte auch Shepard Fairey beim Gestalten im Hinterkopf. „Die Erderwärmung ist dieser Tage ein sehr relevantes Thema und spiegelt die Kurzsichtigkeit der Vereinigten Staaten“, so Fairey im „Billboard“-Magazin. „Fasst man die Metapher weiter, symbolisiert die ertrinkende Freiheitsstatue, eine gefeierte Ikone der Vereinigten Staaten, aber auch den drohenden Niedergang vieler der Ideale, auf denen diese Nation aufgebaut ist. Bürgerrechte. Redefreiheit. Privatsphäre etc. erfahren seit dem 11. September 2001 immer mehr Einschränkungen.“

Das von Fairey verwendete Rot preist Billy Corgan zwar als gute Wahl. Rot sei eine „visuell starke, emotional potente Farbe. Hier besteht die zusätzliche Interpretationsmöglichkeit, dass die Flüssigkeit Blut ist, was dem Artwork einen noch düstereren Aspekt von dunkler Vorahnung verleiht“ Sooo wichtig scheint die Farbgebung und ihre zusätzliche Dimension dann aber doch nicht gewesen zu sein. Für die verschiedenen Zeitgeist-Sondereditionen mit jeweils anderen Bonustracks, exklusiv erhältlich bei verschiedenen Großhandelsketten (wofür Corgan des Ausverkaufs bezichtigt wurde – und womit? Mit Recht), wurde das Cover orange, grün, türkis und lila eingefärbt. Am Horizont steht die Sonne. In einem Statement sinnierte Shepard Fairey über die Symbolik des Himmelskörpers im Kontext des düsteren Artworks: „Die Sonne in dem Bild könnte entweder auf – oder gerade untergehen. Diese Ungewissheit drückt aus, dass unter Umständen noch Hoffnung besteht, das Ruder noch herumzureißen.“ Der Niedergang mag aufzuhalten sein? – Wäre schön. Allein: Wenn man es ganz genau nimmt – was abzulehnen die Kunst natürlich jedes Recht hat – muss man sagen: Die Freiheitsstatue an der Mündung des Hudson River blickt von jeher in Richtung Südosten. Die Sonne in ihrem Rücken, also im Nordwesten, müsste folglich relativ zwingend eine untergehende sein. Schlechte Aussichten also.

Vielleicht kommt einem die Schriftart, in der der Albumtitel Zeitgeist gesetzt ist, bekannt vor. Die Schrift heißt „Legal Tender“, also „gesetzliches Zahlungsmittel“ und ist von jeher die Schriftart, in der die essenziellen Informationen auf US-Dollarnoten gedruckt sind. Die (gar nicht mal so) unterschwellige Botschaft dieses Verweises auf den Dollar als Symbol für den alles aufessenden Weltkapitalismus in Kombination mit dem Rest des Artworks dürfte auf der Hand liegen.