Kritik

„Alien: Covenant“-Kritik: Michael Fassbender, das unheimliche Wesen aus einer fremden Welt


Ist Ridley Scott ein Evolutionsverweigerer? Sein „Alien“ wird jedenfalls zur Schöpfung eines übergeschnappten Roboters degradiert, der nichts dem Zufall überlässt. Packend anzusehen ist diese wirre Geschichte allemal.

2012 kehrte Ridley Scott zu dem von ihm ins Leben gerufenen „Alien“-Franchise zurück. Mit „Prometheus“ wollte er nicht nur den nackten Horror seines Meisterwerks aus dem Jahr 1979 wiederholen, sondern größere Fragen aufwerfen. Fragen nach dem Verhältnis von Schöpfung und Schöpfer, nach Existenz der Menschheit und Glauben. Das ging spätestens dann schief, als seine visuell betörende Suche nach Antworten vom selbstauferlegten Zwang unterbrochen wurde, dann doch noch das bekannte „Alien“ aus dem allerersten Film einzuführen – wenn auch nur in einer früheren Phase.

Ridley wollte zwei Filme in einem drehen. Eine epische Science-Fiction-Entdeckungsreise und zugleich Body-Horror. Hätte klappen können, wenn alte und neue Mythologien nicht dermaßen schlampig verknüpft worden wären und sich nicht die gesamte Crew an Bord des Raumschiffs Prometheus wie ein Haufen Amateure verhalten hätte. Seit Charlize Theron geradewegs von einem kreisförmigen und rollenden Raumschiff wegrennt, anstatt ein paar Meter nach links oder rechts auszuschlagen, existiert der Begriff der „Prometheus-School of Running“, die besonders bescheuertes Verhalten in Filmen beschreibt.

Gestatten: Die neue Ripley (Katehrine Waterston)

Scott würde es niemals so offen zugeben, aber es muss ihn gewurmt haben, dass „Alien“-Fans seinen Versuch, dem Franchise neues Leben und vor allem einen tieferen Sinn einzuhauchen, nahezu mit chirurgischer Präzision zerlegten. Und dass dies überhaupt so möglich war. Doch der mittlerweile 79-Jährige hat genau die richtigen Konsequenzen aus der Kritik an „Prometheus“ gezogen und schafft es in „Alien: Covenant“, Scotts nun drittem Eintrag in dem Franchise, endlich die Vorgeschichte zu liefern, die sich Fans damals von „Prometheus“ erhofft haben.

Verachtung für die Menschheit

Scott lässt sich etwas mehr Zeit, um sein heiß geliebtes Monster auf die Zuschauer loszulassen. Und das ist nicht etwa das als Xenomorph in die Filmgeschichte eingegangene Alien, sondern Michael Fassbender, der hier gleich zwei Rollen spielt. Bereits in „Prometheus“ sieht man ihn als Roboter David, er bliebt allein mit einer Wissenschaftlerin im All zurück. „Covenant“ beginnt nun mit einer Rückblende, zeigt die Aktivierung Davids durch den Unternehmer Peter Weyland (Guy Pearce). Ein pointiertes Gespräch über Götter, Schöpfung und Macht erklärt rückblickend, warum Fassbenders Roboter bereits in „Prometheus“ Verachtung für die Menschheit entwickelte und lieber mordende Monster erschuf.

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Szenenwechsel: Die Crew des Raumschiffs Covenant wacht aus einem mehrjährigen Schlaf auf. Ein Weltraumsturm hat das Schiff getroffen, bei dem Unfall stirbt der Captain des Schiffs (James Franco, der nur für einige Sekunden im Film ist, aber sich seinen Traum erfüllt hat, mal in einem „Alien“-Film zu sein). Die verbliebende Crew, die mit 2.000 noch schlafenden Menschen einen Planeten kolonisieren soll, fängt zufällig ein Signal von einem anderen Stern auf. Und beschließt, dass dieser mysteriöse Planet sogar noch besser für ihre Mission geeignet ist. Sie landen also in Neuseeland dem scheinbar unbewohnten Paradies, wo dann erwartungsgemäß bald die Hölle ausbricht.

Videokritik zu „Alien: Covenant“:

 

Video zu „Alien: Covenant“: James Franco und Michael Fassbender auf Mission im Weltall
Scott nimmt sich viel Zeit, bevor seine Aliens die Crew attackieren, vorher versprüht er etwas „Star Trek“-Gefühl und führt die einzigen Figuren der Crew ein, die auch tatsächlich schauspielern dürfen. Katherine Waterston, die als Daniels nicht nur optisch an Franchise-Urgestein Ripley (Sigourney Weaver) erinnert. Und noch einmal Michael Fassbender, diesmal aber als Walter, eine weiterentwickelte Variante des aus dem Vorgänger bekannten David. Und sobald sich nach ein paar grauenvollen Sterbeszenen diese Roboter treffen und Fassbender Fassbender mit einem „Hallo, Bruder“ begrüßt, wird aus einem guten und etwas zu langatmigen Science-Fiction-Film der Schocker, auf den Fans der Reihe lange gewartet haben.

Aliens als Erfüllungsgehilfen des wahren Monsters

Der seit Jahrzehnten allein im Weltall lebende David hat nämlich nicht nur Experimente an Mensch und Tier vollzogen, sondern direkt einen Genozid durchgeführt. Einen Gottkomplex sowie eine Vorliebe für das Flötenspiel hat er auch noch entwickelt. Fassbender bietet der Crew der Covenant Unterschlupf, leistet Hilfe und plant in Wahrheit die Katastrophe. Scott hat sich dermaßen in die Figur verliebt, dass sogar die mehr und mehr auftauchenden Aliens nur Beiwerk zu dem wahren Monster des Films sind: Michael Fassbenders überlegende Maschine, die erst zu menschlich und dann zu göttlich wurde.

Klassischer Horror stellt sich nach der Hälfte des Films ein.

Es lässt Ridley Scott ein wenig wie einen Evolutionsverweigerer wirken, dass er eine viel zu komplizierte und pathetische Entstehungsgeschichte eines Monsters erzählen will, anstatt sie einfach als Ergebnis einer fernab von der Erde stattfindenden Evolutionsgeschichte anzuerkennen. Laut „Prometheus“ und „Alien: Covenant“ kann dieser perfekte Killer aber nur durch bewusste Entscheidungen geformt worden sein, was man zum Glück aber auch als reine Satire auslegen kann.

Ab der Hälfte des Films spielt Michael Fassbender jedenfalls mit sich selbst um die Wette und sowohl seine Kollegen als auch die unheimlichen Wesen an die Wand. Diese sind zwar noch für einige besonders brutale, spektakuläre und wirklich gruselige Szenen verantwortlich – für die länger anhaltende Gänsehaut sorgt aber Fassbender mit seinen menschenverachtenden Monologen, seiner Kälte und der Tatsache, dass jeder seiner Pläne aufzugehen scheint. Allein er hält die zwei Filme, die Ridley Scott hier in zwei Stunden präsentiert, zusammen. Bildet die Brücke zwischen dem überambitionierten „Prometheus“ und dem klassischen „Alien“-Horror im letzten Drittel des Films. Unterstützt wird er dabei von einem anständigen, aber nicht ganz ausgereizten Cast und der langjährigen Erfahrung des 79 Jahre alten Scotts, der in den Action-Sequenzen noch immer wie ein junger, wilder Filmemacher wirkt und mit Hilfe seines Xenomorphs nackte Panik auslösen kann.

Zwei Filme möchte er auf „Covenant“ noch folgen lassen, dann soll die Geschichte dort enden, wo „Alien“ 1979 begann. Und ja, in diesen zwei Filmen hat Scott noch deutlich Luft nach oben. Die Messlatte für den Kinosommer 2017 hat er mit „Covenant“ dennoch gelegt.

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