Andreas Dorau


Nein, seinen Hit ‚Fred vom Jupiter‘ aus den seligen Tagen der Neuen Deutschen Welle will Andreas Dorau vor den 300 Zuschauern im ehemaligen Schwimmbad nicht aufwärmen. Auch wenn einige freudig erregte Fans lautstark danach verlangen. Dorau hat anderes vor, möchte beweisen, daß sich gewollt naiver deutscher Schlager durchaus mit avantgardistischen Klangelementen und hipper House-Musik verträgt. Auch das Bühnenbild verrät skurrilen Humor: Lippenstifte, langbeinige Ladies (wie so vieles im Pop beides aus Pappe), ein überdimensionaler Elektroschaltkreis. Vor dieser Kulisse fragen sich im Publikum viele, ob die durch Elektronik geprägten Sounds von Doraus aktuellem Album ‚Neu‘ auch live und über die Dauer eines kompletten Konzerts zu fesseln vermögen. Doch Doraus Experiment gelingt, niemand ist enttäuscht. Ein live gespieltes Schlagzeug verleiht den allesamt aus dem Sampler kommenden Playbacks jene Lebendigkeit, die ein Auftritt vor Publikum nun mal erfordert. Ohne auch nur einen Moment dröge zu wirken, bewegt Dorau sich auf einem clever geknüpften Klangteppich. ‚Stoned Faces Don’t Lie‘, ‚Das Telefon sagt Du‘ oder ‚So beeinflußbar‘, alles Schlager für die zweite Hälfte der 90er Jahre, bescheren dem Dauerjugendlichen Andreas D. mit zunehmender Konzertdauer eine zunehmende Zahl von begeisterten Zuschauern. Ein Publikum, das sowohl die genial simplen Texte goutiert als auch die dancefloor-orientierten House- und Techno-Beats zu würdigen weiß. Um so größer die Enttäuschung einiger, als sich ‚der andere Andreas‘ nach nur einer Stunde verabschiedet. Zuvor jedoch hat er den ‚Bad‘-Besuchern noch einen Song mit auf den Nachhauseweg gegeben – ‚Angenehm stumpf. Nur: So fühlt sich keiner an diesem Abend. Denn immerhin ist Dorau ein lebender Beweis dafür, daß deutsche Unterhaltungskunst nicht zwangsläufig dumpf sein muß. Im Gegenteil. Seine erfrischend freche Mischung aus gereimter Naivität und discotauglicher Rhythmik macht den zierlichen Mann aus den 80er Jahren zu einer Entertainment-Hoffnung der 90er. Selten hatte die Verbindung aus Giorgio Moroder und Kraftwerk, aus Schlager und Acid House einen höheren Unterhaltungswert. Grund genug, daß Dorau endlich durchstartet.