Arcade Fire / The Reflektors: So war ihr Geheim-Konzert in Berlin


The Reflektors traten am 19. November im Berliner Astra Kulturhaus auf. Das war bunt, laut und gut, findet ME-Redakteur Jochen Overbeck.

Arcade Fires Win Butler steht nah am, fast im Publikum und schnorrt sich ein Bier. Es dauert ein wenig, bis irgendjemand tatsächlich einen Becher auf die Bühne gereicht hat. Butler nimmt erst den Becher, dann ein paar Schluck, scherzt ein bisschen über Syphilis und die amerikanische Brauerei Budweiser und schüttet sich das Bier anschließend über den Kopf. Scheint klebrig zu sein, denn eineinhalb Songs später spült er mit Wasser nach, aber trotzdem ist’s eine Geste, die den Abend ganz gut umreisst: Offenbar haben sich Arcade Fire für die „The Reflektors“-Clubtour, mit der sie die Veröffentlichung des beinahe gleichnamigen Doppelalbums feiern, eine klare Zielsetzung gegeben: Exzess. Feierei. Ein anderes Spiel. Etwas Voodoo. Hedonist Disco statt Stadionrock, die große Konzertreise kommt schließlich noch früh genug.

Die Setlist des Berlin-Konzerts von Arcade Fire aka The Reflektors ist entsprechend klar rund um die Songs von REFLEKTOR aufgebaut. Der Titeltrack zu Beginn, das große „Afterlife“ in etwa auf halber Strecke, und „Here Comes The Night Time“ als herausragendes Spoken-Word-Finale mit Konfettikanonenbegleitung. Interessant ist, dass die Stücke dabei noch einmal weg vom Song und Richtung Percussion geschoben werden. Ebenso interessant ist der Bruch, der entsteht, wenn die Klangsprache sich ändert, wenn aus den Reflektors kurz Arcade Fire wird, etwa bei „Sprawl II (Mountains Beyond Mountains)“ mit dieser unverschämt großen Pop-Melodie oder bei dem DEVO-Cover „ Uncontrollable Urge“, für das Win Butler den großen Pappmaché-Kopf trägt, den man schon von YouTube kennt.

Ohnehin, Butler. Der scheint den ganzen Abend über zu schwanken, in welche Richtung er als Performer jetzt eigentlich gehen soll. Mal ist er der Kumpelrockstar. Der Bier-über-den-Kopf-Typ, sympathisch angetrunken. Der Am-Ende-noch-mal-ins-Publikum-Typ. Einer, der die Hand nimmt, die ihm von unten entgegengestreckt wird. Dann wiederum gibt der die Kunstfigur. Sagt nicht Arcade Fire, sondern The Reflektors an. Trägt die Maske, die übrigens auch vor dem Konzert ihren Auftritt hat, ebenso wie eine Mariachi-Band (Fotos davon seht Ihr oben sowie hier in der Galerie nach den Live-Bildern). Und manchmal wirkt er so, als sei das alles nur ein großes Theater, dessen Regisseur alleine er ist, lächelt, verlässt zwei mal kurz die Bühne, betrachtet das Ereignis scheinbar amüsiert aus dem Off.

Und das Publikum? Fügt sich passgenau ein ins eigens dekorierte Astra. Dem Schreiber dieser Zeilen fallen auf: viele Masken, alles dabei von verschiedenem Viehzeug über „V wie Vendetta“ bis Venedig. Ein bisschen Schminke, die bei Notfällen von freundlichem Eventpersonal vor Ort unbürokratisch aufgebracht wurde. Einige Herren im Smoking. Ein Pilot mit seiner Stewardess. Eine Kuh und, das ist dann wohl der Gewinner des Abends, ein Typ, der ernsthaft als Bierflasche verkleidet ist. Fand sicher auch Win Butler gut.

Setlist vom Berlin-Konzert der Reflektors/Arcade Fire:

„My Body Is A Cage“ (Win Butler im Publikum)

„Reflektor“

„Flashbulb Eyes“

„Neighborhood #3 (Power Out)“

„Joan Of Arc“

„You Already Know“

„We Exist“

„It’s Never Over (Oh Orpheus)“

„Afterlife“

„Sprawl II (Mountains Beyond Mountains)“

„Normal Person“

„Uncontrollable Urge“ (Devo-Cover)

„Here Comes The Night Time“

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„Haïti“

„Wake Up“

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