Asi mit Niveau


Der Schläger macht keine Schlagzeilen mehr. Als Madonna-Mann kämpfte Sean Penn gegen die Medien, und als Schauspieler ge- gen sein schlechtes Image. Jetzt sucht er seinen Frieden hinter den Kulissen: Bei „Indian Runner" führt Sean Penn Regie.

Zwei Lieder, ein Gedanke:

‚It seems Vm just a natural no good, and what’s more —- I like living like that.“ 1987 sang Lloyd Cole den „Sean Penn Blues“, und vielleicht hat Penn damals darüber gelächelt, ist es doch selten genug, daß jemand für ihn Partei ergreift.

„I got a brother named Franky and Franky ain’t no good.“ Fünf Jahre vorher erzählte Bruce Springsteen in „Highway Patrol Man“ die Geschichte zweier problembeladener Brüder: Sean Penn hat zugehört. Betroffen und begeistert entschloß er sich dazu, das Stück ais Grundlage eines Filmes zu“ benutzen. Flausen im Kopf? Das hätte man angesichts seiner merkwürdigen Karriere meinen können. Doch nun bringt sein Regie-Debüt „The Indian Runner“ alle Nörgler und Neider zum Schweigen. Es wurde auch Zeit.

Für Penn lief vieles verkehrt, und das hat er auch sich selbst zuzuschreiben. Seine Karriere fing gut an, Filme wie „Crackers“, „Der Falke und der Schneemann“ und „Auf kurze Distanz“ bestätigten ihn als einen der herausragenden Schauspieler seiner Generation. Dann lernte er diese Sängerin kennen. Sie war mit ihrer flotten Disco-Mucke und sinnlicher Verkaufsstrategie ganz gut im Rennen. Die Liebe war heftig. Noch heute sagt sie, daß „Sean der einzige Mann war den ich je geliebt habe.“

Und sie kennt ein paar Männer. Sie heißt Madonna. Parallel zu der immer heftiger lodernden Beziehung des neuen Showbiz-Traumpaares explodierte ihre Karriere. Bald war sie kein Star mehr, sie war „eine Ikone, öffentlicher Besitz, dem ich zugerechnet wurde“ (Penn). Die beiden heirateten. Ring frei.

Bei der opulenten Hochzeit hat Penn angeblich auf einen Hubschrauber voll Presseheinis geschossen, die nicht direkt eingeladen waren. Es war der Beginn eines wunderbaren Verhältnisses mit den Herren Paparazzi. Fortan wurde das Paar auf Schritt und Tritt verfolgt. Sean wehrte sich auf seine Weise. Hier ein verprügelter Fotograf, da eine zerdepperte Kamera: Das Schlägerimage war perfekt. Böser Bub? Ach was. „Die Hochzeit stellte mich in ein perverses Rampenlicht. Mr. Mad-onna. Alles nur eine Reflektion der krankhaften Massenneugier, der sich sogenannte Berühmtheiten ausgesetzt sehen.“ Und wem würde nicht der Kragen platzen, wenn sein Haus rund um die Uhr von sensationslüsternen Geiern umlagert wäre?

Wie dem auch sei: Penn hatte seinen Stempel weg, sein Outsider-Dasein kam nur bei den wenigsten an, und die Ehe ging nach ein paar mehr Skandälchen in die Brüche. Fortan rackerte er wie ein Besessener und übertraf sich mehrfach selbst; doch dem Teufelskreis von schlechter Presse plus mieses Image gleich Kassengift konnte er bei Filmen wie „Cholera“, „Die Verdammten des Krieges“ und „Im Zustand der Gnade“ nicht mehr entrinnen. Die Aktie Penn hing im Keller.

„Mit der Schauspielerei bin ich durch. Es sei denn, jemand bietet mir fiir eine Rolle eine obszön hohe Geldsumme an. “ In Interviews sagf er es so oft, daß man es fast glauben muß. Sean Penn will nicht mehr schauspielern. Es wäre eine Schande. „Dieser Entschluß hat nichts mit den letzten Jahren zu tun, er ist reiner Selbstschutz. Das Spielen ist fiir mich zu einer verlockenden Droge geworden, ohne die ich fast nicht mehr leben konnte. „Wenn man sich Penns intensive, selbstzerstorensche Arbeit ansieht, dann ist dieser Entschluß durchaus nachvollziehbar. Immerhin, man weiß ja um die Rückfallquote bei Drogensüchtigen.

Mit 30 wechselt Penn die Fronten. Die angedeutete Story aus dem Springsteen-Song ging ihm nicht aus dem Kopf, und innerhalb eines Monats zimmerte er aus diesen Fragmenten ein Drehbuch: „The Indian Runner“. Bruce dürfte staunen. Der Film zeigt den Zerfall einer amerikanischen Familie von ihrer deprimierendsten und ehrlichsten Seite. Fast ein Dokumentarfilm. Im Mittelpunkt zwei Brüder. Der eine Polizist, der andere ein Wrack. Alkohol, Aggression, Knast, Jähzorn und Visionen.

Überzeugungstäter Penn hat sich mit dieser eindringlichen Arbeit auch seine wilde Vergangenheit von der Seele geschrieben, möchte man unterstellen. Denn seit kurzem lebt er in Frieden mit Kollegin Robin Wright und ist außerdem Vater geworden: ein willkommener Vorwand für den radikalen Lebenswandel.

Es heißt, er ist jetzt ruhig, ausgeglichen, ein neuer Mensch. Auch gut. Den alten Prügelknaben und Westentaschen-Macho, der dem System so gerne in den Hintern trat, wird man trotzdem vermissen.