Auch bei Tortoise aus Chicago darf ein Song schon mal 20 Minuten lang sein


Wer als amerikanischer Indie-Rocker etwas auf sich hält, spielt heutzutage nicht nur bei einer Band. Tortoise-Bassist Doug McCombs ist zugleich Mitglied von Eleventh Dream Day, Gitarrist Dave Payo spielt bei Stereolab den Bass und Bandleader und Schlagzeuger John McEntire trommelt bei The Sea And Cake. Tortoise ist nicht nur deshalb ein Fall für sich. Vor drei Jahren als gelegentliches Experimentierfeld für die Chicago-Szene gegründet, war die Resonanz auf Tortoise so groß, daß die Musiker aus dem Projekt eine feste Band machten. 1994 nahmen Tortoise das (selbstbetitelte) erste Album mit filigraner Instrumental-Musik im Grenzbereich zwischen Jazz und Rock auf und fielen in der Folge mit ihren improvisationsfreudigen Konzerten auf. Das zweite Tortoise-Album ‚Millions Now Living Will Never Die‘ ist ein gewaltiger Schritt vorwärts für die Band. Kernstück ist die 2ominütige Nummer ‚Djed‘, das an Krautrock der Marke Can erinnert. Demnächst wird der Tortoise-Sound eine weitere Mutation erfahren. Denn James LaVelle vom Londoner Trip-Hop-Label ‚MoWax‘ hat bereits seinen Remix von ‚Djed‘ angekündigt. Und Neuabmischungen der Single ‚Gamera‘ finden sich sogar auf sonst Dance-Künstlern vorbehaltenen Dub-Compilations wieder. Tortoise sind also auf dem besten Weg, den Crossover zwischen Ami-Funk und britischem Dancefloor-Sound zu schaffen. Alle Platten der Band erscheinen weltweit nur auf Indie-Labels. „Wir haben kein Interesse an der Zusammenarbeit mit Major Companies“, sagt McEntire, „unser Bassmann Doug hat mit Eleventh Dream Day schon zur Genüge erlebt, wie man da abgezockt wird“.