Auf Tor-Tour in Englands Provinz: Fury In The Slaughterhouse


Fury-Gitarrist Christof Stein über seine Erfahrungen in Fish & Chips-Country

ENGLAND. Ohne großartig zu überlegen, haben wir natürlich erstmal sofort ja gesagt! Es passiert schließlich nicht alle Tage, daß dich ein englischer Musiker wie Steve Harley einlädt, ihn als Support in seiner Heimat zu begleiten.

Die Planung sieht zunächst wirklich vielversprechend aus: insgesamt 25 Konzerte in England, Schottland und Irland stehen auf dem Plan, die zu erwartende Publikumsgröße soll bei 1000 bis 1500 Leuten pro Gig liegen. Uns wird zugesichert, auf den Plakaten sowie in allen Vorankündigungen miteinbezogen zu werden. Rechtzeitig zur Tour veröffentlicht RCA/BMG über den Vertrieb Pinnacle in Großbritannien eine EP von Fury mit fünf Stücken und beauftragt zwei Firmen mit der Promotion.

Nach Gesprächen mit anderen deutschen Bands, die bereits in Großbritannien unterwegs waren, schrauben wir aber lieber die Erwartungen auf ein Minimum herunter.

Dann ist es soweit — freudig erregt schippern wir über den Kanal. Mit dabei Stamm-Mixer Andresen. Backliner Paul Le Butt und Jens Geiger. Tourmanager. Merchandiser. Fahrer und Mülleimer für alles.

Eins vorweg: Solltet Ihr mal nach Britain kommen — und Euch begegnet ein Mann namens Steve Mather: Dreht Euch um und rennt weg! Allein reden mit ihm kostet Geld, verdammt viel Geld! Dagegen gab es fast alles, was uns angekündigt und von uns teilweise im voraus bezahlt wurde, entweder gar nicht oder nur in geringem Maße.

Eine kleine Auswahl: Die Anzahl der Konzerte verringerte sich von 25 auf 18. Die uns vorausgesagten Publikumszahlen blieben leider ein schöner Traum, die Realität zählte im Schnitt 400 Leute. Bei der überwiegenden Zahl der Konzerte waren wir weder auf Plakaten noch in Vorschauen usw. angekündigt. Der zugesicherte Backline-Transport zeigte sich gleich zu Anfang als vollkommen ungeklärt, aber Gott sei Dank übernahm diesen dann netterweise die englische Crew. Stagehands (= Helfer beim Auf- und Abbau der Anlage) waren ebenfalls zugesagt, aber so gut wie nie vorhanden. Die uns zugesagte Möglichkeit für den Verkauf von T-Shirts usw. war in der Realität nur unter der Hand, also inoffiziell, möglich …

Die schwarze Liste ließe sich beliebig verlängern. Aber nicht nur wir ¿

¿ 1 wurden von Mr. Mather über den Tisch gezogen, auch die englisch Crew war mehr als arm dran. Kein Wunder also, daß die Wut aller Leute ständig größer wurde und es mehr als einmal die Drohung gab, am nächsten Tag die Truck-Türen nicht mehr zu öffnen. (Am letzten Tag der Tour fuhren viele der Crew-Leute ohne Geld nach Hause, während sich Steve Mather seinen dritten Range Rover kaufte!) Wir haben drei unserer Stamm-Leute dabei, Andresen (Sound), Paul (Backline) und Jens (Tourmanager). Hinzu kommt, daß Patti Unwin, die auf den Deutschland-Tourneen ’91 Tourmanagerin war und eine gute Freundin der Band ist. hier jetzt als Tourleiterin von Steve Harley arbeitet. Das hilft in vielen brenzligen Situationen. Sie ist selbst Engländerin, kann also gut mit den zuständigen Leuten reden und setzt sich oft für uns ein, wenn’s Ärger gibt. Die englische Crew hat sich schnell als unheimlich nett und kooperativ herausgestellt. Gerade als deutsche Supportband in Bntain darf man das nicht unbedingt erwarten, aber sie waren wirklich klasse. Die Arbeitsbedingungen dieser Leute sind schweinisch schlecht. Für das Geld, das sie verdienen, würde ein Roadie bei uns nicht ein einziges Kabel verlegen.

In England gibt es die schönsten Läden, in denen ich je gespielt habe, auch wenn es oft ungewohnt ist, vor sitzendem Publikum zu spielen. Viele der Clubs sind alte Theaterräume, die entsprechend samtplüschig bestuhlt sind. Die Akustik ist erste Sahne! Besonders atemberaubend die City Hall in Glasgow oder auch der Town & Country Club in London.

Mal abgesehen davon, daß überall viel weniger Leute als erwartet da sind — und diese auch viel älter sind als unser Publikum in Deutschland, sind die Reaktionen meistens gut. Wir waren von allen Seiten vorgewarnt worden, daß das englische Publikum gegenüber Bands aus dem Ausland (ausgenommen US-Bands) unglaublich arrogant und ignorant sein kann. Als Supportband kann man natürlich nicht erwarten, daß alle Zuschauer an einem interessiert sind, doch entgegen aller Unkenrufe kann das englische Publikum sehr gut damit leben, daß eine Band aus Deutschland mit englischsprachiger Musik auf der Bühne steht. Selbst über meine schlechten Witze in schlechtem Englisch können sie lachen.

Das „feste“ Catering ist so schlecht, wie alle Warner prophezeit hatten. Ich hatte schon nach den ersten drei Tagen entschieden, zum Frühstück nicht mehr aufzustehen, sonst wäre die Laune im Keller gewesen. Das Einzige, was man zu sich nehmen kann, sind Fish & Chips oder indisches Tandori Chicken. Das „flüssige“ Catering hingegen ist hervorragend! Zwar ist Bier äußerst kostspielig, dafür gibt es aber einige hervorragende Exemplare (z. B. Newcastle Brown, kurz Nuclear Brown, oder Draught Guiness, letzteres aber nicht in Dublin, denn Guiness reist bekanntlich nicht gerne).

Support ist Support und bleibt Support, besonders dann, wenn man mit einem alternden Popstar wie Steve Harley unterwegs ist, der sich sein Startum beweisen muß, indem er andere Leute in der Gegend rumscheucht. Wir halten ihm zugute, daß er wahrscheinlich selbst an einen größeren Erfolg der Tour geglaubt hatte und über den doch nur mäßigen Zuspruch ziemlich frustriert war.

Ein kleines Fazit. Erstens: Man fährt links. Zweitens: Man fährt immer links! Drittens: Sonntags zwischen 15 und 19 Uhr gibt es nirgends flüssiges Catering!

Der Ernst des Lebens: Das Verhältnis zwischen arm und reich ist erheblich extremer als bei uns. Die Leute verdienen weniger, dafür ist alles viel teurer. Kaum zu verstehen, wie die das regeln.

Zum Thema Politik: Wir fragen uns am Ende der Tour: Was macht England eigentlich in Schottland. Wales und Irland?