Aus dem Untergrund in die Hamburger Schule: LADO Musik ist eines der einflußreichsten Indie-Pop-Labels der Republik.


Deutschland Mitte der 80er Jahre. Nach dem Kollaps der NDW, die zuletzt zum zerstörerischen Tsunami angeschwollen war, liegt die deutsche Poplandschaft brach. Der Flurschaden ist arg: Der geplatzte Hype hat gesundes Wachstum im Underground, Kreativ-Keimzelle jedes funktionierenden Pop-Ökosystems, lahmgelegt. Strukturen existieren kaum. Deutsche Pop/Rockmusik dümpelt auf Schlagerniveau oder kopiert schlicht angloamerikanische Vorbilder. Doch es gärt in den Proberäumen des Landes – auch und vor allem in Hamburg. Die beiden Pop-Enthusiasten Carol von Rautenkranz und Pascal Fuhlbrügge haben ihr Ohr im Untergrund. Seit 1986 organisieren sie in der Hansestadt Festivals mit neuen, innovativen Bands aus Hamburger Kellern.

„Irgendwann .erinnert sich von Rautenkranz,“haben wir gesagt: Wir wollen Platten rausbringen!“ Am 22. Oktober ’88 erscheint auf einem frischgegründeten Indie-Label mit dem verheißungsvollen Namen L’Age D’Or (Das goldene Zeitalter) „Kein Schulterklopfen“, die erste Single der Kolossalen Jugend, die als eine der ersten Bands ein neues deutsches Pop-Selbstbewußtsein transportiert, das Jahre später unter dem wackeligen Schlagwort „Hamburger Schule“ sogar die Charts erobern soll. Ein Mitglied der Kolossalen Jugend war Pascal Fuhlbrügge. „Das typische für uns war die Verquickung von Musikern und Label. Pascal war gleichzeitig in dieser Band, ich hab‘ sie produziert“, erklärt Carol von Rautenkranz.“Wir wollten den Leuten zeigen: Es gibt Bands, die arbeiten und leben hier, und die machen für Euch relevante Musik. Und die sind nicht schlechter als ’ne Band aus England oder Amerika.“ Im Jahr 10 nach „Kein Schulterklopfen“, nach den Erfolgen von Tocotronic und den Sternen, hat das wohl auch der letzte mitbekommen. Unter dem Logo LADO Musik GmbH firmiert mittlerweile neben L’Age D’Or auch das 1994 gegründete Elektronik-Label Ladomat 2000, auf dem Charlotte Coltermann mit beinahe mütterlicher Liebe und Fürsorge verspielt-experimentelle Elektro-Projekte wie Whirlpool Productions, Sensorama oder Egoexpress betreut. Seit Pascal Fuhlbrügges Weggang hat Carol von Rautenkranz in Charlotte eine neue „Partnerin in Crime“. Dritter im LADO-Bunde ist Thorsten „Taucher“ Weßel (nebenbei Mitglied der dienstältesten LADO-Band Ostzonensuppenwürfelmachenkrebs), der auch dem label-eigenen Gold Musikverlag vorsteht. Untergebracht in den Räumlichkeiten eines ehemaligen Elektrogerätelagers im Hamburger Schanzenviertel ist auch der LADO-Mailorder“Spezialversand“. Die LADO Musik GmbH ist eine rundlaufende Plattenfirma.die sich mit der Industrie soweit arrangiert hat, daß professionelles Arbeiten möglich ist – Label-, Vertriebs- bzw. Künstlerverträge mit Polydor und Sony bringen Geld in die Kasse -die aber über die Jahre nichts an Indie-Glaubwürdigkeit eingebüßt hat.“Wir sorgen dafür, daß unsere Bands ihre Inhalte und ihre Musik nach draußen bringen können“, erklärt von Rautenkranz die Label-Philosphie. „Wir sind keine Major-Feinde, wissen aber, wie bestimmte Sachen da funktionieren. Solchen Druck versuchen wir von den Bands fernzuhalten, indem wir sie persönlich betreuen und entsprechende Verträge ausarbeiten.“ Das Zauberwort ist „persönlich“. „Wir setzen uns sehr persönlich mit der Musik und den Künstlern auseinander. Wenn wir mit einer Band arbeiten, müssen wir das Gefühl haben, daß wir mit denen langfristig zusammenarbeiten können.“

„Langfristig“ ist nämlich noch so ein LADO-Zauberwort. Carol: „Man bringt nicht mal eben ’ne Platte raus, und wenn die nichts wird, dann war’s das wieder.“ Konsequenz und Geduld sind angezeigt, denn, so Charlotte, „wir arbeiten mit Menschen und Künstlern, nicht mit Marketingstrategien. Mich interessiert Popmusik im weitesten Sinne. Mit unserem Geschmack und unserem Glauben an die Musik wählen wir die Sachen aus, die wir gut finden.“ Na denn: auch weiterhin so ein glückliches Händchen. Für ein goldenes Zeitalter.