Aus Unfug entstehen manchmal Poesie und Welterkenntnis. Zum Beispiel bei Turbostaat


Für einen Punk ruft Turbostaat-Gitarrist Marten erstaunlich pünktlich an. Marten schreibt die meisten Texte (diesmal: zehn von elf), Jan singt sie dann. Die Songtitel von Turbostaat haben meist nichts mit dem Inhalt zu tun – das ist schön, erzeugt Brüche und irritiert angenehm. Eine Auswahl der besten Turbostaat-Titel: „Schalenka Hase“, „Drei Ecken – ein Elvers“, „Der Frosch hat’s versaut“, „l8:09 Uhr. Mist, verlaufen“, „Warten auf Flitzi“, „Charles Robotnik seine Frau“. Marten erklärt das so: „Ich habe immer Texte geschrieben, mir aber nie Liedtitel ausgedacht. Ich mag’s nicht so gern, wenn man ein verzweifeltes Lied schreibt und es Verzweiflung‘ nennt. So hat noch mal die ganze Band Spaß daran, und wir können uns zusammen was ausdenken. Oft sind das Kalauer oder etwas, das wirgerade schwunghaft finden.“

So rekurriert etwa „Ja, Roducheln!!!‘ auf die Ortschaft Roduchelsdorf, durch die Turbostaat angeblich mal mit dem Tourbus fuhren; der Vormann Leiss, nach dem das dritte Album benannt ist, auf einen Seenotrettungskreuzer, der vor Husum liegt, und „Harm Rochel“ auf einen Arbeitskollegen des Opas von Bassist Tobert. Der „Poppersack im Schnee“, der im Titelstück besungen wird? Ein Mitglied von Wham!. Das gebrüllte „Husum, verdammmt“ in „Insel“? Ein Verweis auf Nina Simones „Mississippi Goddam“. Ein wie auch immer geartetes „schleswig-holsteinisches“ Idiom in den Texten? Fehlanzeige, auch wenn vier Fünftel der Band noch immer in Flensburg wohnen. „Ein Thema dieser Platte ist der Ruf der Leute nach einer starken Hand, die etwas Ordnung in ihre anscheinend so verwirrende Welt bringen könnte“, sagt Tobert, und den Zusammenhang dürfen wir uns auch diesmal selbst dazudenken. „Die Menschen ziehen los, sie kriegen Kinder, sie begraben ihre Toten, und die einzige Frage, die sie dann noch haben, ist Wer wird uns führen? Und wird dieser Führer dann auch ein guter Ehemann und ein guter Christ sein? Religion ist auch so ein Thema, das mir auf ewig verschlossen bleiben wird, deshalb werde ich da auch textlich immer wieder drauf zurückkommen. Die Frage ist: Wie viel Freiheit und wie viel Denken möchte man an eine Ideologie oder einen anderen Menschen abgeben?“

www.turbostaat.de