Avril: Gegen den Widerstand seiner Nachbarn hat der mutige Franzose ein wegwei- sendes Elektronik-Album eingespielt.


Was juckt es einen Nachbarn im schönen Paris, ob der Lärm von nebenan „visionäre Elektronik“ ist? Das macht es nicht lustiger, in der Früh um fünf aus dem Schlaf gerissen zu werden. Mag sein, dass die Klänge von solcher Sensibilität und Weitsicht sind, dass selbst die Kritiker ehrfürchtig lauschen werden. Dass sie nicken, die CD weiterreichen und lächeln werden. Für den Augenblick jedenfalls hat das ganze Haus im 18. Bezirk einfach nur die Nase voll. „Ich habe eine gerichtliche Vorladung bekommen. Vielleicht muss ich umziehen“, sagt Fred Avril und lacht etwas unsicher. Seit er nach Paris kam, ist sein Leben nicht einfacher geworden. Lediglich ein bisschen aufregender. „Bordeaux war langweilig“, müht er sich auf Englisch ab.“.Aber die subversive Geisteshaltung der Jugend dort hat mich positiv beeinflusst. Wenn ich ein Kuscher wäre, würde ich jetzt wie alle anderen in Paris Hause machen.“ Stattdessen hat er an Powerbook, Synthies und Samplern Songs entworfen, die mit nichts zu vergleichen sind. Songs, die auf herkömmlichen Strukturen aufbauen, um dann wenig später ad absurdum geführt zu werden. Die futuristische Sounds enthalten, um damit antiken Funk wummern zu lassen. Und was sich in der Beschreibung schrecklich konstruiert anhört, das rührt im Original doch unmittelbar an. „Ich glaube, es ist nicht leicht, mit mir zu arbeiten“, amüsiert sich Avril. „Ich verlange sehr viel. Und ich will, dass Musiker mit mir in eine neue Richtung gehen. Wenn ich mit Leuten wie Beth Hirsch arbeite, dann sage ich: ‚Okay, das war gut, aber auch wie immer. Lass uns was Neues ausprobieren.‘ Die meisten arbeiten nach Schema F – das geht am schnellsten. Aber ich will mir Zeit lassen und außergewöhnliche Sachen machen.“ Die Mittet dazu stehen ihm zur Verfügung: Bereits als Teenager konnte er zahlreiche Hendrix-Soli auswendig spielen. Und nach einer „Literatur-Phase“, in der er nach Auskunft seines Labels „ein bisschen durchdrehte“, lernte er auch Trompete – aus Rücksicht auf die Umwelt damals noch im Auto. Sein Debüt ist den meisten gegenwärtigen Etectronica-Produktionen weit voraus. Avril ist sich trotzdem sicher, dass es verstanden werden wird. „Schau doch meine Nachbarn an „, sagt er. „Die lieben meine Musik!“

Avril – That Horse Must Be Starving (F Com/PIAS/Connected)