Badly Drawn Boy London, Royal Festival Hall


Gartentisch, Sonnenschirm, Sonnenblumen und Sommergetränke gehören zur Bühnenausstattung vom Mann mit der Teewärmermütze. Das alles schützt vor Stress leider nicht.

Andere brüllen „Hello, Cleveland!“ oder gar „Let’s rrrrrrrrrrrock!“ ins Publikum, wenn sie ihre Bühnenposition einnehmen. Badly Drawn Boy hingegen schleppt sich ans Mikrofon, als wäre es ein Straßenbahnticketautomat, saugt noch mal innig am Glimmstengel und sagt: „I feel fucked.“ Klassisch. Dann schlurft er zum Flügel, informiert uns darüber, dass er heute abend „ein paar neue Lieder spielen“ wolle, und legt los. „One Plus One Is One“. Mit Piano- statt Gitarrenintro, mit Querflöte statt Trompete, mit Geige, Cello, zweiter Gitarre. Bass und Schlagzeug. Dabei ist der Anblick von des Boys ewiger Mütze in einem Kulturpalast, wo die Platzanweiser sprechen wie BBC-Ansager, noch durchaus duldbar im Gegensatz zum Äußeren des Querflötisten, der gekleidet ist wie die Beastie Boys. Das ändert aber nichts daran, dass er bei „Summertime In Wintertime“ dann doch klingt wie Jethro Tull. Natürlich, das Klischee wieder… Für „This Is That New Song“ setzt sich die Flöte an den für unbeschäftigte Musiker bestimmten Gartentisch – samt windschiefem Sonnenschirm – und gönnt sich einen Sommerdrink. Dahinter dann noch eine Reihe von schlapp dreinblickenden Sonnenblumen, die sich hinter dem Instrumentarium von links nach rechts erstreckt. Genug der Deko. „This Is That New Song“ ist ebenso schön einfach und einfach schön. Dann der erste Patzer. Badly kichert und stoppt den Start von „Another Devil Dies“. Immerhin ist jetzt klar, was der Plan für den heutigen Abend ist: Das aktuelle Album soll in der richtigen Reihenfolge von A bis Z durchgespielt werden. Das führt zu putzigen Intermezzi. Nachdem einer der Musiker die Pause, die von einer verstimmten Gitarre verursacht worden ist, mit einer Klavierimprovisation überbrückt hat, stellt Badly eiligst klar, dass „that shit“ natürlich nicht auf der CD zu hören sei. Das ist noch als Witz gemeint, aber bald sinkt die Sonne in der Stimmung des Meisters, und die Scherze verwandeln sich in grantige Verwünschungen. Fuck this, fuck that. abgebrochene Liederanfänge und verärgerte Grimassen mehren sich. Das ist dem Publikum ziemlich unverständlich, denn eigentlich läuft alles bestens. Die neuen Songs sind live genauso stark wie die alten, die Band präsentiert sich in einer herzerwärmend seelenvollen Balance von Virtuosität und sensibler Stimmungsmache, die Klangtexturwirkt angenehm simpel und doch ungewöhnlich. Kurzum: ein echtes Prachtkonzert. Beim Anstimmen von „Takes The Glory“ erklärt Badly endlich, was ihm über die Leber gekrochen ist: „Ich wusste, dass ich ein Risiko eingehen würde, als ich beschloss, das Album in seiner richtigen Abfolge zu spielen „, sagt er. „Ich hasse Einschränkungen. Holt ich einfach nicht aus. Aber jetzt haben wir’s gleich geschafft. „Viertelstunde Pause, dann drängt sich die Band rauchend und saufend um den Gartentisch, Badly schlurft zurück ans Mikrophon, zündet sich eine Zigarette an. „Ich denke, jetzt werd ich endlich relaxen. Das hat mich voll gestresst vorhin.“ Die zweite Konzerthälfte ist trotzdem fast so wie die erste: tolle Songs, subtil und leger gespielt, mit witzigen Bemerkungen und improvisierten Texten angereichert. „Don’t Ask Me l’m Just The President“ macht den süperben Anfang. Während „The Shining“ – ein weiteres Highlight – versucht sich Badly an der Flöte. Badly. Zur Einführung von „Have You Fed The Fish“ echauffiert er sich erheiternd über die Presse. Als LA-Album habe man die CD selbigen Titels abgetan, schnauzt er: „Als ob ich je ein LA-Album machen könnte!“ Im Gegenteil, so erfahren wir, das Lied sei vom Heimweh beseelt, das er gelitten habe damals, weit weg. kurz nach 9/11, als keiner wusste, was mit der Welt geschehen würde, und daheim allein in Manchester die Flamme seines Herzens… Die Flamme von Badlys Herzen sitzt heute abend in der Royal Box und wird vom Meister noch mehrere Male als Urquell der Zufriedenheit gelobt. Und auch eine seiner entspannt dahinswingenden Verbal-Improvisationen tischt er schließlich noch auf: „Now I have a fake bullshit American accent, there’s no reason forthat, it makes me feel tike a twat“, singt er.