Barclay James Harvest – Berlin, Deutschlandhalle


Am 30. August 1980, vor den Stufen des Reichstagsgebäudes, waren’s über 150.000 Fans, die zu BJH pilgerten. Am 25. Februar 1982, in der seit Monaten ausverkauften Deutschlandhalle, waren’s über 9000 Kids, Teens, Twens und Oldies, die den Start der erfolgreichsten Tournee der englischen Super-Softies umjubelten.

Vor ca. einem halben Jahr wurde diese Tour angekündigt. Sofort setzte in allen Städten ein Sturm auf die Kon zert-Kassen ein. Zum Start koppelte man jetzt nochmals 15 Zusatz-Konzerte an das Zwanziger-Paket ran. Die Nachfrage ist sicher nicht nur mir unbegreiflich. “ Wir erwarten mehr als 400.000 Fans“, strahlt Marek Lieberberg vom Veranstalter mamaconcerts. „Das wäre dann die größte Rock-Tour auf deutschem Boden.“ Wetten, daß …

„Was wären Barclay James Harvest ohne das deutsche Publikum ?“ fragt da zurecht ihre Plattenfirma Polydor in der offiziellen Bio. Antwort: Nichts, niemand, nobody! Denn nur bei uns sind John Lees, Les Holroyd und Mel Pritchard wer. Ein Phänomen. Sonst nirgends. Nicht mal in ihrer Heimat will man sie. Doch was wäre Deutschland ohne Barclay James Harvest? Leider laßt sich diese Frage (dieser Wunschtraum) nur hypothetisch beantworten. Zumindest gab’s eine Band weniger, die sich frecherweise und schamlos als ROCK-Band bezeichnet (bezeichnet wird).

BJH live – das ist eines der langweiligsten, ermüdendsten, desolatesten, uninteressantesten, monotonsten Konzerterlebnisse. Jede Sandmännchen-Melodie geht mehr ab als irgendeine BJH -Nummer im Live-Gewand. Da nimm ich getrost den Zorn von über 400.000 Deutschen auf mich! Aber BJH – auf Bühne oder Vinyl – ist so aufregend wie ein Schlaftier im Terrarium.

Schon beim ersten Song waberte das Trockeneis, wenn auch noch dezent, überden Bühnenrand. Dazu waberte es umsomehr aus den Boxen. Ein zäher Synthie-Bombast-Kleister schwabbelte in die Gehörgänge. Leise, aber penetrant aufdringlich. Dafür gab’s einige helle Momente die einzigen während des gesamten Konzertes – von der mit reichlich Raffinessen ausgestatteten Light-Show. Doch wer kommt schon für ’ne Funzel ins Konzert? Vielleicht die 9000 Berliner, denn sie unterstützten die Lichtkaskaden und seichten Klänge mit einem Flammenmeer aus ihren Zippos.

Absolut unverständlich bis zum heutigen Tag bleibt mir aber ein Typ im Publikum: Total in sich versunken, mit sich und der BJH-Welt zufrieden, zog er den ganzen Abend seine imaginären Heavy-Metal-Soli ab. Und das selbst bei den potentesten Langweiler-Songs mit einer präzisen, emotionsgeschwängerten Gestik, die jedem Gitarrero den blassen Neid ins Antlitz treiben würde. Doch ich möchte diesem Fan lieber die Stimulanzen eines Bierstandes zugute halten als irgendeine Verbindung zum Gitarristen John Lees zu knüpfen. Nicht mal zwei Meter entfernt gab’s nämlich Berliner Kindl in Pullen.