Berliner Filmfestspiele 1983


Die diesjährigen Berliner Filmfestspiele haben wieder einmal die Misere der Filme mit einem besonderen „Anliegen“ zutage gefördert. Besonders der im Ausland gern überschätzte „Deutsche Film“ macht gegenwärtig den Eindruck eines todkranken Patienten, der nur noch durch künstliche Ernährung seitens der Förderungs-Gremien und anderer Instanzen am Leben gehalten wird.

Förderungswürdig scheinen in dieser Saison vor allem Filme, die sich mit der Unterdrückung bzw. der Emanzipation der Frau befassen. Damit liegen Margarethe von Trottas „Heller Wahn“ und „Utopia“ von dem in Deutschland lebenden Iraner Sohrab Shahid Saless genau im Trend der Förderungs-Lotterie.

„Heller Wahn“ erzählt die Geschichte der Annäherung zweier unterschiedlicher Frauen, gespielt von Hanna Schygulla und Angela Winkler, in dem hermetisch abgegrenzten Mittelstand-Milieu der 68er Akademiker-Schikeria. In diesen Kreisen tauchen Männer nur als Friedensforscher, Theaterregisseure oder verhinderte Pianisten – und Frauen nur als Dozentinnen oder Lehrerinnen auf.

Die Probleme, die diese Menschen laut Drehbuch miteinander haben müssen, wirken so überflüssig wie der ganze Film. Margarethe von Trotta bewegt sich in einer Welt, in der die Emanzipation der Frau nur noch als individuelle Selbstverwirklichung unter der Käseglocke materieller bürgerlicher Sicherheit begriffen wird. Die blutleeren Reißbrett-Figuren reden lieber von Gefühlen, anstatt sie zu empfinden.

Etwas handfester wirken da schon die Figuren in dem langatmigen „Utopia“ von Saless, der den Alltag eines kleinen Puffbetriebs zum Sinnbild der Unterdrückung und Ausbeutung der Frau hochstilisieren will.

Die Monotonie, mit der Sales die Geschichte von fünf Prostituierten und ihrem Zuhälter erzählt, ist durchaus intendiert, versucht sie doch, die filmische Zeit der realen Zeit anzunähern, um einen Wirklichkeitsbezug herzustellen.

Die angestrebte Ernsthaftigkeit kippt im Verlauf des Films in unfreiwillige Lächerlichkeit um, wenn aus den vermeintlich realistischen Figuren melodramatisch überhöhte Passionsdarsteller gewonnen werden, die den Mikrokosmos des gesellschaftlichen Alltags reflektieren sollen. Auch hier geraten die Figuren dann schließlich zu Abziehbildern einer Idee – trotz des realistischen Milieus.

Im Vergleich zu diesen deutschen Beiträgen erscheint Eric Rohmers Komödie „Pauline am Strand“ wie ein Wunder an Lebendigkeit und Frische. Rohmer „erzählt ganz unangestrengt von den Verwicklungen der Liebe, die sich im Spätsommer an einem Küstenstrand der Normandie ereignen.

Mit diesem sommerlich gestimmten Film setzt Rohmer seinen mit „Die Frau des Fliegers“ begonnenen Zyklus „Komödien und Sprichwörter“, fort und beweist, daß philosophische Reflexion auch in lebendige Geschichten münden kann.

Ein anderer Leckerbissen ist der in der Info-Show präsentierte amerikanische Film „The Executioner’s Song“,‘ der nach einem Buch von Norman Mailer die authentische Geschichte des zweifachen Mörders Gary Gilmore nachzeichnet, der seinerzeit weltweites Aufsehen durch sein Beharren auf Vollstreckung der Todesstrafe erregte.

Der von dem amerikanischen Journalisten Lawrence Schiller mit dem phantastischen Tommy Lee Jones in der Hauptrolle inszenierte Film überrascht durch seine nüchterne, aber sehr dynamische und präzise Erzählweise. Das Leben Gilmores wird im Stil der realistischen Fact-and-Fiction Schule rekonstruiert und filmisch knapp umgesetzt. Ein Film, der ohne Hauptdarsteller Tommy Lee Jones vielleicht keinen Zuschauer finden würde. Die einzige angenehme Überraschung der Berliner Filmfestspiele.