Beth Ditto


Die Sängerin von Gossip über das Singen in der Kirche, ihre Vorliebe für Powerballaden und Tori Amos.

Erwachsenwerden …

Ozzy Osbourne – „Crazy Train“ (1980)

Meine Mutter war ein großer Rockfan, und im Süden der USA, wo ich aufgewachsen bin, gab es nicht viel, das man machen konnte. Ich erinnere mich daran, dass ich von Pink Floyds THE WALL und Patsy Cline begeistert war. Als Kind wollte ich Hippie werden und dem Friedenskorps beitreten, vermutlich, weil ich The Mamas And The Papas gehört habe. Doch der wahre Soundtrack dieser Zeit war Ozzy.

Als ich mit dem Singen begann …

Tori Amos – BOYS FOR PELE (1996)

Das Singen lernte ich im Kirchenchor. Dort stellte ich fest, dass ich zu laut war, um ruhige Songs zu singen, und zu leise für laute. Dann hörte ich Tori Amos und sie bestätigte meine Erfahrungen als Sängerin neben Frauen wie Missy Elliott. Ich kann es nicht leiden, wenn sogenannte Punks sagen, sie hören grundsätzlich keinen R’n’B. Wie kann man nur ein ganzes Genre ablehnen?

Identitätsfindung …

X-Ray Spex – „I Am A Poseur“ (1978)

Punk bedeutete mir nichts, aber X-Ray Spex waren großartig, und Poly Styrene gaben mir das Selbstvertrauen, ich selbst zu sein. Es gibt eine tolle Textzeile in dem Song: „I’m a poseur and I don’t care.“ Sie forderten Menschen heraus. Punks mochten es nicht, wenn man von ihnen glaubte, sie wollen nur Aufsehen erregen. Aber willst du mir erzählen, du trägst einen Liberty Spike (Anspielung auf die Ähnlichkeit eines Irokesenschnitts mit der Kopfbedeckung der Freiheitsstatue – Anm. d. Red.) und willst nicht, dass die Leute dich ansehen?

Bei der Gründung von Gossip …

Elliott Smith – „No Name No. 1“ (1994)

Ich war zum ersten Mal von zu Hause weg und sehr einsam. Dann hörte ich Elliott Smith, der sang: „Leave alone, you don’t belong here.“ Genau so hatte ich mich gefühlt. Dann spielten wir als Vorband für Sleater-Kinney (Indie-Rock-Frauen-Trio aus den USA – Anm. d. Red.), und deren Sängerin Carrie Brownstein sagte zum Publikum: „Beth denkt, sie sollte zurück nach Arkansas gehen und Friseurin werden. Wer glaubt, sie sollte bleiben?“ Wäre sie nicht gewesen, wäre ich heute nicht hier.

Als der Erfolg kam …

Bobbie Gentry – „Fancy“ (1969)

Der Erfolg kam aus dem Nichts und traf uns sehr überraschend. Seit wir einen Vertrag bei einem Major Label haben, können wir all diesen coolen, verrückten Scheiß machen und dabei immer noch wir selbst bleiben. Diese Erfahrung verbinde ich stark mit Bobbie Gentry, die es geschafft hat, mit ihren Songs dieses Gefühl einzufangen. „Fancy“ handelt von einer Frau aus armem Verhältnissen, die es geschafft hat, als Prostituierte reich zu werden.

Meine aktuelle Vorliebe …

Tina Turner – „What’s Love Got To Do With It?“ (1984)

Die 80er-Powerballade ist mein Lieblingsgenre. Ich glaube, der große Reiz liegt darin, dass sie für die meisten ein Tabu darstellt. Aber es passt gut zu meinem Gefühl, immer noch nicht „normal“ zu sein. Kürzlich trafen wir nach einem Konzert die Kings Of Leon und es war, als würden zwei Welten aufeinander prallen: die Rolling Stones treffen Devo (New-Wave-Legende aus Ohio – Anm. d. Red.). Sie waren total cool und abgeklärt, und wir sangen Lieder über Torteletts.

Randnotizen

* Beth Ditto wuchs in Searcy, Arkansas auf, zusammen mit ihrer Mutter, sechs Geschwistern und ständig wechselnden Stiefvätern. Als Kind fragte sie Bill Clinton, ob der ihr eine Ein-Dollar-Note unterschreiben könne. Er antwortete: „Ich glaube, dass ist illegal, Darling.“ Einer der für Ditto bedeutendsten Momente war, als sie nackt für das lesbische Erotikmagazin „Curve“ posierte.

* Sie kritisierte die britische Frauenbekleidungskette TopShop, weil dort keine Übergrößen verkauft wurden.

* Im September erscheint Dittos Autobiografie „Coal To Diamonds“.

Der nächste Musikexpress erscheint am 17. Juni 2010.