Blue Note


Mit progressiven Klängen und innovativen Cover-Artworks prägte Blue Note den Jazz der Sechziger. 30 Jahre spä- ter klingt die Legende wieder frisch: als Lieblings-Sample auf HipHop-Scheiben

Ein Sound kehrt zunick. Rapper der Neunziger entdecken das Dancefloor-Potential legendärer Jazz-Aufnahmen. Gemeinsame Heimat der zeitlosen Groove-Klassiker: Blue Note. Das zwischenzeitlich totgeglaubte Jazz-Label kooperiert neuerdings mit angesagten Clubs und DJs. Die aktuellen Jazz-Rapper US3 gelten als Paradebeispiel, und die Plattenfirma EMI — zu der Blue Note mittlerweile gehört — veröffentlicht unter dem Titel „Into Somethin'“ je eine Doppel-CD mit neuem Jazz-Rap und altem Dancefloor-Jazz. Ein reichhaltiger Fundus an hervorragenden, lange Zeit nicht mehr erhältlichen Jazzgroove-, Soul-, Rare Groove- und Latin-Scheiben erblickt nun zum zweiten Mal das Licht der Plattenläden.

Blue Note wurde 1939 gegründet und widmete sich anfangs den kompromißlosen Ausdrucksformen von Hot Jazz und Swing. Seitdem zeigt jede der über 10.000 Blue Note-Veröffentlichungen ein authentisches musikalisches Gesicht, das den Impuls der Zeit, die politischen wie sozialen Umstände sowie Kreativität und Intimität des Jazz widerspiegelt. Firmengründer Alfred Lion und sein deutscher Freund Frank Wolff. der viele der Coverfotos schoß, setzten auf Qualität: Die Künstler, die für Blue Note auftraten, lesen sich wie das A—Z des Jazz. Horace Silver schreibt im Vorwort des Buches „The Cover Art Of Blue Note Records:

„Alfred Lion und Frank Wolff waren Männer mit Integrität und wirkliche Jazz-Fans. Sie haben vielen großen Musikern zum üurchbruch verholfen. Wenn sie von einem Künstler überzeugt waren, hielten sie zu ihm, auch wenn die Verkäufe mal schlecht waren.“

Mitte der 50er wurde der typische Blue Note-Sound geboren. Der aufrührerische, hektische und eher kühle BeBop wurde mit warmen Soul-, Gospel- und Blues-Elementen angereichert. Hammond-Organist Jimmy Smith, Trompeter Donald Byrd, Herbie Hancock, Bubby Hutcherson, Funk-Gitarrist Grant Green und viele andere Musiker, die auch heute wieder eine junge Hörerschaft ansprechen, sorgten damals für künstlerische und kommerzielle Erfolge. In der Fusion-Ära der 70er begann der Stern Blue Note zu verblassen, bedingt durch den Verkauf an Liberty 1966, die Krankheit Alfred Lions und den Tod von Mitinhaber Frank Wolff. Erst Mitte der 80er knüpfte man mit innovativen Künstlern wie Gen Allen oder Greg Osby wieder an die große Vergangenheit an.

Die gegenwärtigen Aktivitäten entsprechen der seit jeher progressiven Label-Philosophie. Animiert von berühmten Clubs und Acid Jazz-DJs bringt Blue Note diverse Kompilations-Serien auf den für neue Trends stets offenen Dancefloor-Markt. Während Sampler wie „California Cool“, „Afro Blue“, „Blue ’n‘ Soul“ und „Rhapsody In Blue“ eher den klassischen Jazzhörer ansprechen, bieten die zwei „Blue Break Beats“-Kompilationen sowie „Make h Deep & Phunky'“ — zusammengestellt von Acid Jazz-Guru Gilles Peterson — Groove-orientierte Highlights der 54jährigen Blue Note-Geschichte. Auch rar gewordene Originalalben sind endlich wieder erhältlich. Etliche Funk-orientierte Blue Note-Werke der 60er finden derzeit ihren Weg in deutsche Plattenläden: unler anderem Kenny Dorhams „Afro Cuban“. Larry Youngs „Into Something“, John Pattons „Oh Baby“ und „Got A Good Thank Goin“ oder Duke Pearsons „The Phantom“.