Bob Dylan


Kann man den eigentlich auch für Abifeiern oder Feuerwehrfeste verpflichten?“, fragt ein blondbezopftes Girlie mit Baseballkappe am Halleneingang respektlos. Und als die Köpfe der Dylan-Freaks, Folk-Veteranen und ergrauten Oberstufenlehrer erbost herumfahren, fügt sie entschuldigend hinzu: „Na ja, so oft wie der auf Tour kommt.“ Recht hat sie. Bob Dylan hat sich vor fünf Jahren auf eine selbstironisch benannte „Never Ending Tour“ begeben, in deren Verlauf er mindestens alle Dreivierteljahre auch deutsche Konzerthallen beehrt. „Gut drauf ischt er heut abend“, flüstert ¿¿?in ohrenscheinlich aus dem Schwäbischen angereister Dylanologe ehrfurchtsvoll. Und tatsächlich, His Bobness hat an diesem Abend blendende Laune — für seine Verhältnisse. Er, der seine Songs meistens mit mürrischem Sackgesicht herunternäselt, gibt sich publikumsnah. Im klassischen Las-Vegas-Look — leichtes Seidenblouson und Hosen mit Glitzerlitzen — wiegt er sich im Rhythmus seiner Riffs, nölt ein paar „Thank You“’s in den Beifall der knapp 1.500 Fans und wippt sogar mit dem Fuß, was angesichts seines sonstigen Bühnengebarens als milde Form der Ekstase gewertet werden muß. Der Altmeister startet mit einem R’n’B-getränkten ‚Down In The Flood‘, einem lockeren ‚Lay Lady Lay‘ und einem heruntergerotzten ‚All Along The Watchtower‘. Ringsum werden zu Beginn eines jeden Stücks Zettel und Bleistifte gezückt. Wahre Dylanologen erkennt man eben daran, daß sie die komplette Set-List eines jeden Konzertes mitnotieren, um dann später anhand von Bootlegs darüber zu philosophieren, ob nun die 93er New Supper Club-Version von ‚It’s All Over Now Baby Blue‘ intensiver war als der 94er Mailand-Jahrgang.

Derweil klampft sich Dylan bemerkenswert stilsicher durch ein erstklassiges 60er-Repertoire (‚Jokerman‘, ‚Silvio‘). Besonders umjubelt wird natürlich der akustische Teil mit dem selten gespielten ‚Don’t Think Twice‘ — „eine gansch inschpirierde Version“, wie mir der Schwabe nebenan zuraunt. Stimmt. Sichtlich gelöst durch den Erfolg seines MTV-Mitschnitts, gelingen Dylan präzise Mundharmonikasoli und perlende Gitarren-Licks, an denen er sonst — bisweilen bis zur Schmerzgrenze — herumdilettiert. Der Abend mündet in einen von ‚I Shall Be Released‘ angeführten Zugabenteil, und am Ende steht einmal mehr fest: Für die einen ist es Bob Dylan, für die anderen die am längsten tourende Legende der Welt.