Boom Tschak


Die Electro-Kolumne von Albert Koch

(Ain’t) Talkin‘ ‚bout Dubstep

Genrenamen sind gut, weil man sonst den Wald vor lauter Bäumen nicht sieht.

Frage: Woran erkennt man einen Dubstep-Musiker? Antwort: Daran, dass er hartnäckig leugnet, einer zu sein. Das Infragestellen der Sinnhaftigkeit von Genrebezeichnungen ist natürlich ebenso legitim wie die Standardantworten der um Individualität bemühten Musiker: „Wir lassen uns nicht in eine Schublade pressen, und überhaupt sind Genres ja nur Erfindungen von Musikjournalisten.“

Sprache ist eine wunderbare kulturelle Leistung der Menschheit. Ein Mittel zur Bezeichnung von Dingen durch willkürlich gewählte Begriffe. Man kann vom Wort „Baum“ halten was man will, wer aber die deutsche Sprache beherrscht, wird keine Schwierigkeit haben, dem Wort die entsprechende Pflanze zuzuordnen. Könnten Bäume denken und reden, wäre es allerdings nicht auszuschließen, dass manche um Individualität bemühten Exemplare hartnäckig leugneten, ein Baum zu sein. „Nein“, würde der Baum sagen, „ich lasse mich nicht in eine Schublade pressen. Vielleicht verstehen sich die anderen Gewächse hier im Wald als Bäume, aber ich bin mit Sicherheit kein Baum.“

Was für die Sprache allgemein gilt, trifft auch auf die Bezeichnungen von musikalischen Genres zu. Es sind Hilfsmittel, die der (groben) Einordnung dienen. Wer im Plattenladen nach Metal-Neuerscheinungen sucht, muss das also nicht in der Abteilung „Jazz“ tun, oder bei „Dubstep“. Dieses Genre hat in den vergangenen Jahren eine erstaunliche Entwicklung genommen. Manche Produzenten kehren zu den Wurzeln im Dub zurück (Mala und Coki von Digital Mystikz), andere transzendieren das Genre (James Blake, Mount Kimbie), manche Veteranen verkommerzialisieren ihren Sound (Skream solo und mit Magnetic Man), neue, kommerziell erfolgreiche Pop-Acts mit Spurenelementen von Subbässen in ihrer Musik tauchen auf (die britische Musikerin Jess Mills).

Doch fand die seit zwei Jahren angekündigte Mainstreamisierung von Dubstep auch 2011 nicht statt. Das wird sich 2012 wahrscheinlich ändern, wenn auch die Europäer den kalifornischen Produzenten Sonny Moore alias Skrillex entdecken. Der war früher Sänger der Emo-Band From First To Last, bevor er sich als elektronischer Musiker selbstständig machte. Skrillex ist der Scooter des Dubstep: er produziert hohle, formelhafte Tracks anhand einiger memorabler Bausteine. Würde man ihn fragen, wie er seine Musik bezeichnet, würde er wahrscheinlich antworten: „Dubstep“.