Bruder Hiebe


Es ist seine erste größere Rolle, und schon reißen sich alle US-Magazine um Interviewtermine und Fotosessions mit ihm. Kein Wunder, denn Joaquin (sprich: Whoa-Kien) Phoenix liefert ein vielversprechendes Debüt in Gus Van Sants To Die For‘, in dem er einen degenerierten Schüler spielt, der Nicole Kidman sexueii verfällt und für ein paar Runden im Bett deren Gatten (Matt Dillon) umpustet. Außerdem entstammt Joaquin dieser schrecklich interessanten Familie, er ist der häßliche Phoenix mit der Narbe auf der Lippe, über den man so schön schreiben kann. Vor 21 Jahren in Puerto Rico geboren, in Venezuela aufgewachsen, nannte sich Joaquin mit sechs Jahren Leaf, um neben seinen Geschwistern mit den klangvollen Namen Summer, River, Liberty und Rain nicht ganz blöd dazustehen. Seine Eltern, ehemalige Anhänger der Sekte „Children Of God“, zogen ihre Kinder zu Ultravegetariern heran, die noch nicht einmal Honig von den Bienen nehmen wollten. Als in der 9. Klasse im Biologieunterricht ein Frosch zerlegt werden sollte, brach der Schöngeist die Schule ab. Statt dessen begann er Gedichte zu schreiben, malte, und war nach eigenem Bekenntnis ein „wilder Typ. Inzwischen bin ich viel ruhiger. Ich rauche noch nicht einmal mehr, dafür lutsche ich jetzt am Daumen.“ Viel mehr mag er über sich auch nicht erzählen. „Ich bin schüchtern, und ich kann nichts Großartiges daran finden, daß in Magazinen über mich geschrieben wird. Zwischen alt den Hochglanzfotos und Anzeigen steht so wenig Wahres“, stellt Joaquin scharfsinnig fest. Am allerwenigsten will er über den Tod seines Bruders River sprechen. Joaquin war dabei, als River 1993 vor dem Club ‚Viper Room‘ in L.A. an einer Überdosis starb. Er war es, der den vielpublizierten Anruf bei der Notrufzentrale tätigte, mit dem er um Hilfe für seinen sterbenden Bruder bettelte. Mehr will er darüber nicht sagen. „Das ist ein viel zu privates Thema, nichts von dem, was ich darüber denke, gehört an die Öffentlichkeit. Keine Ahnung, ob es schwer für mich sein wird, Rivers Nachfolge anzutreten, oder ob die Schauspielerei ein Talent in unserer Familie ist. Ich denke darüber nicht nach. Ich will kein Star werden und nach Hollywood ziehen, sondern hier bei meiner Freundin Arcacia in Florida bleiben. Ich will auch keine Scheiße drehen, dafür ist mir die Schauspielerei zu wichtig. Leider wird in Hollywood nur noch Mist produziert, mit möglichst künstlichen Computereffekten. Die guten Zeiten, als Wahnsinnsfilme wie ‚Star Wars‘ gedreht wurden, sind vorbei.“ Nicht verzweifeln, Joaquin: George Lukas will drei weitere ‚Star Wars‘-Episoden drehen. Nächste Rolle: Darth Vader Jr.?